In jedem Kommunist, sagte mein Freund Darek, der sicher schon fünfzig Mal auf Kuba war, steckt ein Kapitalist, wenn man gerade nicht hin sieht. Wenn Du Dir das genau ansiehst, setzte er fort, muss Dir sofort klar werden, dass kein anderes Land mehr dazu taugt, geheime Kapitalisten hervorzubringen, als diese kleine, trotzige Insel, die wie eine Wiege am floridanischen Haken der USA hängt, all das sieht, was man haben könnte, aber dazu verdammt, ist, darauf zu verzichten, weil das Streben nach Besitz und Gewinn zutiefst unsoziale Wünsche sind, die dem antrainierten Abwehrreflex zuwiderlaufen.
Dazu gibt es auf Kuba zwei Probleme und ein Qualitätsmerkmal, welche besonders dafür verantwortlich sind, dass im Untergrund, dort, und immer dann, wenn die Regierung es für den Moment nicht sieht, Kapitalismus blüht und gedeiht: Das erste Problem ist, dass ein normalsterblicher Mensch auf Kuba schlicht und einfach nicht an Geld kommt, um sich Träume zu erfüllen. Was ihm bleibt, ist, sich ein Leben zu modellieren, in dem der Verzicht und die Schlichtheit zum Ideal erhoben werden. Das zweite Problem ist, dass selbst dann, wenn Geld verfügbar wäre, man nichts, oder nicht viel mit diesem Geld beschaffen könnte, da es nichts zu kaufen gibt.
Sinn und Zweck des herbeirevolutionierten Kommunismus auf Kuba wäre es, dass alle gemeinsam gleich viel arbeiten und gleich viel davon haben. Das geht nicht, weil es schon immer Menschen gab, die mehr haben wollen als andere. Nicht, weil es für ihr Wohlbefinden wichtig wäre, sich dies oder das anzuschaffen, sondern, einfach um mehr zu haben als die anderen. Sich über Besitz zu definieren, ist die vermutlich leichteste Methode, dem eigenen Leben eine Bedeutung zu geben. Man schafft sich die Werte einfach an – dazu muss man nicht besonders klug, einfallsreich oder menschlich wertvoll sein. Und so geht das jetzt auch auf Kuba: Während Universitätsprofessoren und hochspezialisierte Ärzte neben ihrem Hauptberuf noch Taxifahren müssen oder einer anderen Beschäftigung nachgehen (Ich habe einen kennengelernt, der am Malecon von Havanna Plastikbecher an die trinkfreudige Jugend verkauft), weil das staatliche Gehalt einfach nicht reicht, leben andere Leute, vornehmlich Günstlinge der Partei oder Lieblinge bestimmter Personen, in aufwändig restaurierten Villen im Vedado oder in Miramar.
Als ich 1972 als Student von Kuba in die ehemalige DDR kam, lernt ich folgende Definition: „Der Kapitalismus ist die Ausbeutung des Menschen durch den Menschen!“
Und wenn jemand von seiner Hände Arbeit (ohne ausgebeutete Angestellte) nur so reich werden kann wie er alleine schafft, dann ist das kein Kapitalismus, sondern Gerechtigkeit.
Sehr interessanter Artikel. Sex ist bei uns in den Medien allgegenwärtig aber sexuelle Freizügigkeit ohne dabei Andere zu bedrängen und auszubeuten schaut anders aus.
Die lockere Freundlichkeit,auch Gastfreundlichkeit in Kuba beinhaltet einen solchen Respekt der in unserer einzelgängerischen Gesellschaft mit einer Überbetonung der Individualität schlicht abhanden gekommmen ist.