Kuba: Wenn wir trinken und gehen

kuba

Datum: 11. September 2011
Uhrzeit: 13:26 Uhr
Leserecho: 2 Kommentare
Sprachkurs Spanisch (Südamerika)

Das haben wir auf Kuba immer gerne gemacht: Nachdem wir vom Strand zurück waren in der Stadt, fuhren wir zum Appartement, duschten und legten uns für ein oder zwei Stunden faul aufs Ohr. Irgendwann hatte sich dafür der Oberbegriff: Twenty minutes for the face eingebürgert, weiß der Himmel, wieso.

Später gingen wir meist im Vedado-Viertel essen, mit Blick auf den Malecon. Wir tranken zum Essen Bier, meist Cristal, weils leicht ist und recht gut schmeckt. ich hatte immer mein kleines, schwarzes Notizbuch mit dabei, um nicht unbewaffnet zu sein, wenn Ideen und Gedanken über mich her fielen.

Später, nach dem Essen gingen wir manchmal zu Fuß vom Vedado-Viertel bis zum Parque Central, hingen dort rum, schäkerten mit den Leuten, tranken ein oder zwei Mojitos auf der Terrasse des Hotel Inglaterra und machten das, was man bei solchen Gelegenheiten auch überall anderswo auf der Welt macht: Leute schauen, plaudern, die sinnliche Wahrnehmung auf 100 Prozent hochdrehen und genießen.

Kuba kann das, und Havanna kann das noch viel mehr: Von einem Besitz ergreifen, ermutigen, zu bleiben, und gleichzeitig mutlos zu machen. Kuba verwirrt, Havanna noch viel mehr, weil Sittlichkeit und Zügellosigkeit Hand in Hand gehen, weil Obszönität lieblich wirkt und Anstand abstoßend, bitter moralisierend und monolithisch. Betrunken dachte ich von Zeit zu Zeit, dass man sich Kuba wohl am ehesten nur nackt nähern sollte, denn es entblättert einen sowieso. Schicht um Schicht wird einem das Schutzsystem vom Herz geschält, und während wir sitzen und trinken und zum Park hinüber schauen, schleicht sich ein dumpfer, dunkler Groll gegen das Handelsembargo ein, und ein noch viel tiefer verwurzelter Zorn gegen die alten, starren Männer und Frauen auf beiden Seiten des Golfs von Mexiko, eine bleierne Hilflosigkeit angesichts der erschreckenden Mängel von all dem, was uns als selbstverständlich erscheint.

Ich sagte einmal zu meinem Freund, die USA müssten, um den Sozialismus auf Kuba auszulöschen, nur das Handelsembargo samt und sonders aufheben. Ersatzlos streichen. Aber das bringen die vor Hass geradezu verrückten grauen Eminenzen in den USA einfach nicht übers knochentrockene Herz.

Wenn wir genug getrunken und gesehen, wenn sich die Nacht auf die Gebäude Havannas niedergelassen hatte wie eine schwarzgekleidete Matrone, dann zahlten wir und gingen über den Paseo de Prado zum Malecon und dann Richtung dreiundzwanzigste Straße, auch “La Rampa” genannt. Wir tranken dort gerne Rum mit Gaseo Limon, saßen auf der Mauer und diskutierten oft leidenschaftlich mit den Leuten dort, ob alt oder jung, Frau oder Mann. Für mich waren diese Diskussionen immer auch ein Akt des gewollten Verstehens, ein Einblick in die oft lachende, oft weinende Seele Kubas.

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Peter Nathschläger, geb. 1965 in Wien, entdeckte früh seine Vorliebe für Reisen & Literatur. Parallel zu seinen Romanen, Kurzgeschichten und Gedichten widmet er sich nun verstärkt Reiseberichten mit Schwerpunkt Kuba, ganz im Sinne einer literarischen Spurensuche.

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Kommentarbereich

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  1. 1
    Lumida

    Hoffentlich kommt jetzt nicht wieder der Möchtegerne-Journalist JE zum Zug. Liebe Redaktion, bitte verschonen Sie uns davon.

  2. 2
    spanishjack

    Schöner Bericht.Die Menschen mögen sich und sie Helfen sich.Ob sich mit der Abschaffung des Handelsembargos so viel ändern würde mag ich bezweifeln.Dieses Embargo greift auch deshalb so weit, weil die USA auch andere Staaten mitn zu Ihren verbündeten macht.Cuba ist Stolz auf seine Unabhängigkeit und muss Sie auch immer wieder aufs neue verteidigen.Es ist schon absurd das der grosse Nachbar versucht seinen kleinen Nachbar auszuhungern.Die eigene Regierung zu verteidigen fällt auch schwer, wenn man sieht wie vermeintlich gut es doch den Nachbarn geht.Cuba war schon immer ein Erotisches Land was für manchen Europäer ein wenig Grass daher kommt nur eigentlich ist es richtig so.Sie werden sich dem großen Nachbar nicht an den Hals werfen wenn Sie den Eindruck haben das Sie dadurch Ihre Errungenschaften und Ihre Unabhängikeit verlieren.

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