Die Protestbewegung wird vorwiegend von Studenten der Sprachwissenschaften organisiert. Die MINUSTAH kontert: „Wir haben den Eindruck, dass die Bevölkerung im allgemeinen FÜR die MINUSTAH ist, nicht nur wegen der Sicherheit, sondern auch wegen des guten Verhältnisses, das die Truppen zu den Menschen pflegen“, so Maurício Cruz, Sprecher der militärischen Abteilung. Ich meinerseits schliesse mich diesem Eindruck an, soweit ich die Diskussionen verstehe, die täglich sehr emotional um das Haus geführt werden.
Die von Brasilien geleitete Operation begann am 1. Juni 2004 im Auftrag des Sicherheitsrates, nachdem der damalige Präsident Jean Bertrand Aristide während eines bewaffneten Aufstandes aus Haïti geflüchtet war. So sagen beschönigend die einen, durch amerikanische und französische Soldaten entführt, heisst die Lesart seitens der anderen. Von den 8700 Soldaten und 3300 Polizisten gehören 2400 zum brasilianischen Militär. „Bisher hat es keinen Vorfall gegeben, der sich gegen unsere Truppen gerichtet hätte, die ganz normal ihre Patrouillenfahrten auf den Straßen machen“, so Cruz. „Der Präsident hat den Wunsch geäußert, die MINUSTAH möge einen schrittweisen, gut geplanten Rückzug vornehmen. Aber noch nicht jetzt, weil er denkt, die nationale haïtianische Polizei sei nicht in der Lage, eine stabile Sicherheit zu gewährleisten.“ Ich bin genau der gleichen Meinung.
Michel Martelly, seit Mai Präsident von Haïti, sprach am 23.September vor der Generalversammlung der UNO. In seiner Rede verteidigte er den Verbleib der Truppen in seinem Land. „Die Mission kann nicht auf eine einfache Interventionseinheit reduziert werden oder auf die Rolle des mehr oder minder neutralen Beobachters“, sagte er. „Ich bin mir der inakzeptablen Fehler bewusst, die das Prestige der Mission befleckt haben, aber wir dürfen nicht vor lauter Bäumen den Wald nicht mehr sehen. Und ich denke, dass die politische Stabilisierung verschiedene Phasen durchläuft“, so Martelly. „Allgemein hat die Bevölkerung den Eindruck, dass die MINUSTAH nicht so viel für das Land getan hat, wenn man es mit der Summe in Relation setzt, die dafür ausgegeben wird. Kürzlich wurden 150 Milliarden Dollar für die Verlängerung des Mandats beantragt, während die nationalen Sicherheitskräfte Haïtis und die Polizei nicht mit diesem Geld bedacht wurden“, erläutert Meena Jagannath vom Institut für Gerechtigkeit und Demokratie in Haïti.
Der Anwältin zufolge bekommen die haïtianischen Polizisten praktisch kein Gehalt, dabei sind sie es, die für die Sicherheit der Bevölkerung zuständig sind. „Die MINUSTAH hat zum Beispiel kein Mandat, das es den Soldaten erlaubt, einem Verbrechen nachzugehen und den Kriminellen festzunehmen, es sei denn, das Verbrechen geschähe direkt vor ihren Augen“, fügt sie hinzu. Ich meinerseits glaube nicht, dass Ungeduld und Streitereien Fortschritt bringen. Die Probleme sind unvorstellbar, so unmöglich es für den Einzelnen sein kann.
Sowohl durch die Verbreitung der modernen Medien als auch durch die Arbeit neben hochbezahlten Ausländern wurden die Zahlen allgemein bekannt und weckten Begehrlichkeit, Unzufriedenheit und Fantasien. Man verkennt die Unterschiede in der Ausbildung und Lebensweise im Ausland und erkennt gleichzeitig eine enorme Ungerechtigkeit und Profitgier, die manch einen an die Verhältnisse zur Sklavenzeit erinnert. Da versuchen es immer mehr Menschen mit Selbsthilfe, man sieht, wohin das führt.
Das Hauptproblem besteht in der beispiellosen Sozialschere, zum einen zwischen Haïti und „normalen“ Ländern, zum andern in der hiesigen Güterverteilung. Ich finde durchaus eine Verbesserung des himmelschreienden Managements, vor allem im Bereich des Personellen speziell des Lohnwesens, sowohl der MINUSTAH als auch des Staates dringend nötig, aber ein Abzug der Ausländer und damit der Kompetenz würde noch Öl ins Feuer giessen. Den Blauhelmen kann ich nur zurufen: danke, lasst euch nicht hinausmobben, und weiter so!
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