Lateinamerika: Von Drogen und Abhängigkeiten► Seite 3

Datum: 01. November 2011
Uhrzeit: 19:55 Uhr
Ressorts: Leserberichte
Leserecho: 1 Kommentar
Autor: Martin Bauer, Caracas (Leser)
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Die Makleds gelten in weiten Kreisen der Bevölkerung als angesehene Familie. Der Bruder Aldala hatte schliesslich die Armenviertel Valencias mit LKW-Ladungen voll Kühlschränken, Waschmaschinen etc. beschenkt und stand deshalb kurz davor, zum Bürgermeister gewählt zu werden, bis zur überfallartigen Enteignung und Verhaftung eine Woche vor der Wahl (klar, der jetzige Bürgermeister ist Chávist, jener als Drogenkonsument bekannte Psychopath, der kürzlich einen Supermarkt schliessen liess, weil man ihm dort aufgrund präsidialen Dekrets am Sonntag keinen Whiskey verkaufte). Wesentlich erscheint mir die Feststellung, dass Makled keines der ihm vorgeworfenen Delikte jemals bewiesen werden konnte, ja, dass es nicht mal zu einer Anklage kam. Im Sinne des Gesetzes sind Walid Makled und Bruder Aldala unbescholtene, ehrenwerte Geschäftsmänner, die nachweislich mit völlig legalen Geschäften ein Vermögen verdient hat, u.a. als offizieller Importeur der grössten U.S. amerikanischen Automarken.

Bravo! So macht man das! So kenn ich das aus Europa. Dieses Beispiel lässt hoffen, dass eines Tages die brutale Bandenkriminalität aus den Strassen Venezuelas verschwindet. Dabei liesse sich all dies Elend so leicht beenden. Einfach keine Drogen mehr kaufen… Aber an dem Punkt waren wir schon.

Noch mal zurück zur Legalisierung. Würde man den Drogendealern ganz offiziell und legal den gleichen Preis bezahlen wie vorher, gegen Rechnung und mit Mehrwertsteuer, dann würden sie sehr viel mehr verdienen als jetzt. Denn kein noch so unverschämter Spitzensteuersatz würde sie so viel kosten, wie das aktuelle Prozedere der Geldwäsche. Sie könnten als friedfertige Geschäftsleute leben und andere leben lassen. Nur, wie sollten sie dieses Geld dann ausgeben? Wie sollte die Finanzwelt existieren, ohne jene Billionen, die ihr nicht mehr einfach in den Schoss fielen, praktisch ohne Gegenleistung?

Die vom Drogenhandel erwirtschafteten Gelder sind in der Tat so enormen Ausmasses, dass eine gewaltige weltweite Industrie sich mit deren „Wäsche“ befasst. Die erste Generation des pechschwarzen Geldes kann niemand einfach als Bargeld stapeln oder ausgeben. Sie wird wieder und wieder gewaschen, bis über viele Graustufen hinweg dann ihre Farbe von Weiss kaum noch zu unterscheiden ist. Den höchsten Preis dabei zahlen die Drogenbarone selber. Bei ihnen verbleibt nur ein kleiner Bruchteil ihrer Einnahmen. Der Löwenanteil verteilt sich weltweit auf unzählige Finanz Dienstleister, Banken, Versicherungen, Anlagefonds, Hawala und Hundi Organisationen, Terroristen, Rohstoffhändler, Politiker, Kaufleute… Tatsächlich hat erst der 11. September 2001, auf Druck der USA, etwas Licht auf das Dunkel dieser Netzwerke geworfen, ohne aber allzu viel zu erhellen, geschweige denn Wesentliches zu ändern. Es wird nun nicht mehr sechs mal so viel Zucker auf der Welt gehandelt, wie produziert; viele Banken lehnen inzwischen Zuckergeschäfte sogar ab. Man legt nicht mehr blanko Bankbürgschaften über 50 Millionen Dollar auf den Konferenztisch in Zürich, sondern nur noch solche über eine Million oder zwei, um eine Stunde später das Kreditinstitut mit dem Doppelten auf dem Konto wieder zu verlassen, oder in einer Woche das Achtfache zu verdienen. Alles geht diskreter, in kleineren Tranchen.

Wozu wohl brauchte Hugo Chávez unbedingt seine eigene Bank? Ich erinnere mich noch an die Schlagzeile: „Mir fehlt noch eine Bank, und ich krieg sie auch.“ Mit der ihm typischen Bescheidenheit wählte er sich die Nummer 1 des Landes, die Santander de Venezuela, die nun schlicht „Banco de Venezuela“ heisst. Damit kann er weltweit Transaktionen abwickeln, die jede halbwegs seriöse Bank ablehnen und den Ermittlungsbehörden melden würde. In Venezuela war der Wechselkurs des Dollar Paralelo für rund ein Jahr eingefroren und ist inzwischen sogar am Sinken, trotz der galoppierenden Inflation des Bolivar Fuerte. Warum wohl? Wegen des ständig wachsenden Überangebots von kolumbianischen und venezolanischen Drogendollars, die immer billiger zu haben sind. An der Grenze zu Kolumbien werden sie angeboten wie sauer Bier. Es ist grotesk, aber inzwischen gewinnt der BsF an Wert gegenüber Dollar und Euro, auch wenn seine Kaufkraft im eigenen Land sinkt.

Immer mehr Institutionen, Firmen und Personen sind heute an der Wäsche von Drogengeldern beteiligt. Und nicht wenige davon sind tatsächlich ahnungslos. Denn das Geld ist schnell so hellgrau und mit weissem Geld vermischt, die Umstände der Transaktionen so seriös, dass oft gar kein Gedanke mehr daran aufkommt, es könnten Drogengelder im Spiel sein. Und letztendlich weiss keiner mehr genau, weder du noch ich, welchen „Whiter Shade of Pale“ das Geld auf dem eigenen Bankkonto oder in der eigenen Hosentasche hat und wie viel weniger es womöglich wäre, ohne den fleissigen Konsum der Süchtigen. Wenn heute Investmentbanken mittels Hebelgeschäften hoch auf einen fallenden Euro wetten, und morgen wird ein europäisches Land von einer Rating Agentur abgestuft, dann kann dies ebenso wenig Zufall sein, wie die das zugrunde liegende Kapital frei von Drogengeldern sein kann. Milliarden werden an den Finanzmärkten verloren und gewonnen, aus Geldern die keiner je gesehen hat und deren Werdegang niemand kennt.

Der Killer, welcher vielleicht eines Tages den für die Legalisierung verantwortlichen Politiker hinstreckt, wäre wohl kaum von der Mafia geschickt, eher von einem Konsortium distinguierter Vorstandsmitglieder, oder von einfachen Büroangestellten mit Eigentumswohnung und Familie, in jedem Fall von Menschen, die in einer Form von Drogen abhängen, für die es keine Entziehungstherapie gibt. Wehe uns allen, wenn die Süchtigen eines Tages zur Besinnung kommen und von den Drogen ablassen!

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  1. 1
    Der Bettler

    Martin,nach längerer Zeit wieder ein hervorragender Bericht.Da ich mit Drogen nichts am Hut habe,habe ich mich auch nicht damit befaßt.Es ist
    äußerst interessant,ja spannend,was sich alles um die Drogenwelt abspielt.
    Man könnte es ja fast mit der Angst bekommen,wenn man hört,daß Banken
    ja ganze Industriezweige mit der Geldwäsche involtiert sind.Durch Deinen Bericht habe ich in meinen schon fortgeschrittenen Alter wieder neue Erkenntnisse und Denkanstöße bekommen. Sehr gut.

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