Amazonien, Amazonas Regenwald, Amazonas Dschungel, Grüne Hölle: auf einer Fläche von 7 Millionen Quadratkilometern umfasst der Amazonas mehr als die Hälfte des auf der Erde verbliebenen Regenwaldes. Es ist eine Region der Superlativen mit unendlicher Artenvielfalt und von Dimensionen, die faktisch nicht in Worte zu fassen ist. Mit Leichtigkeit schaffte es das gigantische Biom daher auch in das Finale der „neuen sieben Weltwunder der Natur“. Neun Staaten würden sich bei einem Sieg den Titel teilen: Bolivien, Brasilien, Kolumbien, Ecuador, Französisch-Guayana, Guyana, Peru, Suriname und Venezuela.
Obwohl man sich unter dem Amazonas meist einen grenzenlosen dichten Wald vorstellt, durch den sich der mächtige gleichnamige Fluss seinen Weg gebahnt hat, ist die Vergetation äusserst heterogen. Von Savannen über Trocken- und Bergwälder, offene Wälder mit Palmen, Sumpfgebiete und großen Überschwemmungsgebieten ist hier alles zu finden. Inmitten an den Grenzen des Regenwaldes liegen zudem kleinere und größere Städte bis hin zu den Metropolen Manaus und Belém mit über 1 Million Einwohnern. Über 22 Millionen Menschen nennen Amazonien heute ihre Heimat.
In den Anden findet man verschlafene Bergdörfer entlang eines unscheinbaren Baches, der sich nach fast 5.000 Kilometern dann irgendwann in den Atlantik ergießt. Dort im Mündungsdelta, wo man die andere Uferseite nicht mehr sehen kann, liegt die Flußinsel Marajó. Sie ist so groß wie die Schweiz und fast schon wieder als eigenes Ökosystem zu definieren. Ein Fünftel sämtlichen Süßwassers der Erde fließt im Laufe der Zeit faktisch an ihren Seiten vorbei, gespeist aus über 1.000 größeren Zuflüssen, die den Amazonas zum mächtigsten Strom der Erde erwachsen lassen.
Doch Amazonien ist weit mehr als ein Fluß, der im Laufe seines Weges durch Südamerika mehrfach seinen Namen ändern muß und erst in Brasilien beim weltberühmten Aufeinandertreffen des Rio Negro und Rio Solimões seinen Namen wieder tragen darf. Es ist neben der fast grenzenlosen Biodiversität auch ein Hort der unterschiedlichsten Kulturen der einzelnen Länder, geprägt von den Traditionen der dort lebenden Ureinwohner sowie den Einflüssen der vor rund 500 Jahren begonnenen Kolonisierung durch Spanier, Portugiesen, Holländer oder Franzosen.
Nur aus dem All lässt sich das Ausmaß des gigantischen Ökosystems – die Lunge der Welt – einigermassen erfassen. Und obwohl schon so viele Dinge über Amazonien bekannt sind und es unzählige Bücher und Dokumentationen darüber gibt, dieses wahre Wunder der Natur ist faktisch unerforscht. Hier leben noch völlig von der modernen Welt abgeschnittene Indianervölker, sie kennen keine Grenzen und keine Staaten. Für sie ist es einfach ihr Lebensraum, durch den sie seit Generationen ziehen und mit dem sie in völligem Einklang leben.
Ihnen ist es egal, ob Amazonien am kommenden 11. November 2011 zum „neuen Weltwunder der Natur“ erklärt wird. Viele andere sehen in dem möglichen Titel allerdings die Chance, den nachhaltigen Tourismus zu fördern oder noch stärker auf den notwendigen Schutz des einzigartigen Ökosystems aufmerksam zu machen. Denn trotz vieler internationaler Bemühungen geht der Raubbau an der Natur stetig weiter. Abholzung zur Schaffung von Rinderweiden in Brasilien, Bergbau in Peru oder extensive Ölförderung in Ecuador oder Venezuela – vom lokalen Viehzüchter als auch von multinationalen Konzernen drohen dem Amazonas immer größere Gefahren. Ein weiterer „Titel“ wird daran zwar kaum etwas ändern, aber vielleicht doch den Blick ein wenig für die zunehmenden Probleme im größten Regenwald der Erde schärfen.
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