Heute beginnt die Schule wieder, auch in der vor der Katastrophe noch eingeweihten „Schweizerschule“ in Gressier, die glücklicherweise den Todesstößen widerstanden hat. So sind auch die neunzehn weiteren Schulprojekte der Schweiz nicht gefährdet, in der jetzigen Zeit sind die doppelt nötig, hat das fürchterliche Beben doch fast alle Schulen zerstört.
Ich bin ja vor einer Woche der Apokalypse entronnen und warte in der dominikanischen Hauptstadt immer noch auf einen Rückflug in meine Urheimat, die Schweiz. Im Hotel sehe ich die gleichen Fernsehbilder die Sie wohl auch kennen, und erhalte dieselben Informationen, nur kann ich sie vielleicht besser platzieren. So hörte ich aus dem Fernsehen, dass tausende von Schülern unter den Trümmern begraben wurden, aber dass immer noch 1,8 Millionen umherirren und heute wieder in den übriggebliebenen Schulen erwartet werden. Wie viele wirklich erscheinen, weiß man noch nicht. Zudem sind intakte Schulen eine Seltenheit und werden vermutlich verbreitet für andere Zwecke „missbraucht“, zum Beispiel als Lazarette oder Unterkünfte. Der Schulbetrieb dürfte deshalb meist ziemlich störend erfolgen-
So ist laut einem gelungenen Telefonanruf Melissa heute in „unserem“ Nest, wo ich auch zehn Nächte ausgeharrt hatte. Ihre Familie harrt da immer noch weiter und ist relativ intakt, doch die Erde schüttelt immer noch und ich habe Verständnis, dass zur Zeit niemand daran denkt, die Kinder in Schule und Ungewissheit zu schicken, zumal da die Schule immerhin mehr als eine Stunde weit weg liegt. Vater Mystal und die vier Kinder denken immer noch eher, sich für mehrere Wochen aufs Land zurückzuziehen, wo im Ursprungsgebiet der Familie die Erde ruhiger ist.
Da jedermann hungert, Hilfsgüter nicht durchkommen, die Mitarbeiter humanitärer Organisationen durch Angst blockiert sind, in einem Gebiet wo Kannibalismus ohnehin üblich ist, die Hungernden öffentlich mit solchem drohen und man immer noch von 6000 schießenden Verbrechern, 180’000 Getöteten, 1/3 zerstörten Häusern umgeben ist und von immer noch anhaltenden Erdstößen bedroht wird, da liegt das Bedürfnis zu überleben und in relativer Sicherheit zusammen zu bleiben näher als das, keine Ausbildung zu verpassen.
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