Pannen, Tiger und Krokodile

Panne-2

Datum: 18. Oktober 2009
Uhrzeit: 14:49 Uhr
Leserecho: 0 Kommentare
Autor: Otto Hegnauer
Sprachkurs Spanisch (Südamerika)

Panne-2Heute wollten wir von der Dominikanischen Hauptstadt zurückfahren nach Port-au-Prince. Trotzdem der Taxifahrer Mühe hatte mit der Adresse, trafen wir rechtzeitig im Busterminal ein. Schon vor der Abfahrt ergaben sich angeregte Diskussionen, die unterwegs weitergeführt wurden. Eigentlich wären die DVD-Filme, die über die Flachscreens flimmerten, gar nicht nötig gewesen, denn jedermann schien sich zu kennen. Außer mir natürlich, denn ich höre lieber aus etwas Distanz zu und gebe meinen Senf später und in anderer Form dazu, das wissen Sie ja.

Aber auch Coachline Busse haben ihre Tücken. Kaum eine Stunde unterwegs, kurz vor Azua, stoppt die Luxus-Karre. Nach einigen Minuten patrouilliert die Hostess durch den Mittelgang und flüstert verängstigt, in kaum hörbarem Spanisch, die Brennstoffleitung sei gebrochen, hatten wir doch auch schon, oder? Im Unterschied zu damals hinterliessen wir diesmal jedoch keine Dampfspuren in der Luft (Spuren am Himmel), und Explosionsängste waren auch nicht am Platz. Außer ich hätte mich vergessen und die dominikanische Zigarre entzündet, die mir Toni zum Abschied geschenkt hatte.

Aber ich konnte mich beherrschen und machte es ohne. Es war heiß, beim Vorbeifahren hatte ich auf einem Haus ein digitales Thermometer gesehen, es hatte in meterhohen Ziffern 33 Grad gezeigt. Nach einer Stunde verstummte die Klimaanlage, und dem Chauffeur kam die erfrischende Idee, die Türen zu öffnen und uns raus zulassen. Wir suchten Schatten unter einem Baum, und ich begann diese Geschichte zu schreiben. Auch ein Vorteil, aber noch nicht der entscheidende.

Vor uns eine Polizeisperre, eine Barriere und ein rotes Tuch: Chequeo Policial. Kleine Fische und Fahrzeuge halten sie manchmal an und prüfen die Papiere. Dazu tragen sie drohend ihre Gewehre in der Hand. Bei uns drüben in Haïti könnten es ja sogar Panzer sein. Die Domis wollen zeigen, sie seien auf Fischfang oder auf Tigerjagd.

Vielleicht sind sie wegen des vor Tagen ausgebrochenen Tigers verängstigt. Ausgebrochen ist zwar falsch, das Streifentier wollte einfach seinen Horizont erweitern und entwich aus dem Zoo. Ich habe in Internetnews gelesen, die Gräben um die offenen Tigerflächen seien eben zu schmal und könnten mit Leichtigkeit übersprungen werden.

Ich hatte mich für die Geschichte ebenfalls interessiert und noch gestern meine Freunde in Santo Domingo befragt, wie das mit dem flüchtigen Tiger eigentlich ausgegangen sei. Niemand wusste etwas davon; es scheint, dass die Medien dicht hielten und nicht noch mehr Feriengäste vertreiben wollten. Ich habe großes Verständnis hierfür und glaube meinerseits, dass ein flüchtiger Tiger selbst verängstigt ist und nach seinem ersten Ausflug so rasch wie möglich wieder in den sicheren Zoo zurückfindet. Und im übrigen rate ich der Verkehrsleitstelle im Santo Domingo-Zoo, den Tigern vorsorglich ein GPS-Erkennungssystem einzubauen, das müsste ja außer bei Fahrzeugen in Deutschland auch bei Tigern in der Domrep funktionieren. Meine Kollegen sagten auch, von einem abgehauenen Tiger hätten sie jetzt nichts gehört, aber Krokodile seien gerade ausgebrochen. Springen die hier nun auch über Gräben? Ängstliche und Lebensmüde haben also die Wahl, zwischen Krokodilen und Tigern.

Indessen ist eine weitere Stunde vergangen, die Batterie meines Laptops hat ausgehaucht – zum Glück führe ich stets eine zweite mit mir. Und auch einen Fotoapparat, der mir die Geschichte dokumentieren hilft. Indessen ist auch ein Mechaniker in einem Servicewagen eingetroffen, und man macht sich am Motor zu schaffen. Es vergeht nochmals eine Stunde, bis auch meine zweite Laptopbatterie aushaucht. Wohl oder übel hört so meine Geschichte für den Augenblick auf, und was nachher noch passierte, erzähle ich nach Ankunft im Nachtquartier, in Montagnes Noires.

Denn nach drei Stunden Siesta im Schatten des Baums kam aus Santo Domingo ein Ersatzbus und brachte Erlösung. Rasch war das Gepäck umgeladen, und es ging wieder los, etwa für eine weitere Stunde. Da gab es wieder einen Pannenhalt, diesmal war Radwechsel angesagt. Der dauerte erstaunliche wenige Minuten, und wir fuhren wieder weiter, Richtung Grenze. Dass da viele Formalitäten zu erdulden sind, interessiert uns diesmal nicht, aber dass wir gebeten wurden, nach dem Zollbesuch alles Gepäck in einen neuen Bus umzuschichten, den wir auch besteigen sollten, das nahmen wir bereits mit Humor auf. Unter Lachen stiegen wir ein und fuhren in die nun beginnende Nacht hinein.

Coachline hat uns schließlich in 12 Stunden ( statt 8 ) wohlbehalten ans Ziel gebracht, mit Cars, die wir dreimal wechseln mussten. Die dominikanische Konkurrenz, die Terra Bus, hätte uns wohl auf der Strecke ausgesetzt und hilflos stehen lassen, wie auch schon geschehen!

Alles hat seine Vor- und Nacheile. Eifrige Leser wissen, dass ich in jeder Situation den Vorteil zu suchen pflege. Und sie werden jetzt etwas schnippisch fragen: Wo sehen Sie diesmal den Vorteil, Herr Hegnauer? Das ist doch einfach, gebe ich zurück. Finden Sie etwa, es sei kein Vorteil, dass wir diesmal nicht im Flugzeug saßen?

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Die exklusive Haiti-Kolumne im latina press Nachrichtenportal von Otto ‚Swissfot‘ Hegnauer. Der ehemalige Lehrer lebt seit mehreren Jahrzehnten auf Haiti und berichtet exklusiv von seinem täglichen Leben auf der Insel Hispaniola.

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