Noch in Eurolanden da kannte ich einen Freund, der hatte alles, und DOCH nichts. Ein guter Mensch, befasste er sich mit Millionen und Milliarden, in jeder Währung, und half auch den „Armen“, wo es nur ging. Ich durfte ihn manchmal beraten – mehr sage ich nicht, denn sonst geht der Schuss los – und die Diskretion ist dahin. Einer der vielleicht heute meiner Strassenkinderschule geholfen hätte, das mut ich ihm zu. Aber mir und meinen Freunden half er nie materiell, aber er wusste zu motivieren. Und wie!
So lud er mich und meine Freunde einmal carweise ein in ein südliches Nachbarland. Die Fahrt dauerte einen ganzen Tag, dann kamen wir an den Fuss eines steilen Berges, der rundum von Polizisten abgesperrt war. Nur wir Auserwählten durften über die steilen Strassen hochspulen. Und oben auf der Bergspitze erwartete uns eine neue Hundertschaft von Bewaffneten. Und ein Gipfel- und Schlosshotel, das nur für unsere Gesellschaft reserviert war. Im Festsaal hatte jeder seinen vorbereiteten Platz und konnte all das Unfassbare geniessen, das nun folgte. Ich spreche nicht nur von den Tafelfreuden, ich glaube das Essen zählte sieben Gänge, und auch die Weine waren auserlesen. Die Medien incl. Fernsehen stellten sich ein, und die bekanntesten Stars begannen ihr sagenhaftes Konzert, das teilweise übertragen wurde. Nein, so etwas hatte ich noch nie erlebt. Spätnachts chauffierten uns die Cardriver wieder bergab in die Ebene zu den vobereiteten Hotels, die waren allesamt mit fünf Sternen dekoriert, wie heute meine Bücher. Doch der Schreck liess nicht auf sich warten, er folgte auf der Stelle.
Denn nach ein paar Tagen las man in der Zeitung, der vermeintliche Hans im Glück hätte sich erschossen. Warum weiss kein Mensch, vielleicht war er der einzige, der es wusste.
Eine ähnliche, traurige Geschichte musste ich mit meinem besten Freund in Haïti erleben. Auch er war Schweizer, spielte mit Millionen, führte ein ebenfalls fünfsterniges Hotel am schönsten Platz des Landes, war ein Wohltäter und Gutmensch und hatte auch eine Stiftung und eine Schule mit ein paar hundert Knirpsen, die dort gratis Unterricht und Verpflegung genossen. Vor zehn oder mehr Jahren durfte ich ihm mit mehreren Spenden helfen, jedesmal ein paar tausend Franken und jedesmal von meinen Lesern gesammelt, Er war scheinbar glücklich, aber auch hier las man eines Tages in der Zeitung, der vermeintliche Hans im Glück hätte sich erschossen. Warum weiss auch hier kein Mensch, er war auch hier der einzige, der es wusste.
Und zwar war das noch kurz VOR dem schrecklichen Erdbeben, das dann auch sein Wunderhotel und seine Schule zerstörte. Ich habe ihm mein fünftes Buch gewidmet, posthum. „Schule unter dem Mangobaum“ wird aber vermutlich erst im nästen Jahr oder noch später erscheinen.
Nicht alle Millionärsfreunde haben sich umgebracht. Einige haben sich durch alle Schicksalsschläge durchgerettet, wenngleich auch über Nacht alles verloren. Ein anderer CEO (Chief Executive Officer für das geschäftsführende Vorstandsmitglied) eines Konzerns liess sich jährlich ähnliche Motivations-Anlässe einfallen, und mir wurde das Glück zuteil, hie und da an solchen teilzuhaben. Dabei waren die ausländischen Anlässe deutlich üppiger als die einheimischen; es liess sich ablesen, dass unsere Nation sowohl kleiner als auch kleinlicher war als die üblichen. Auch die Schweizer Controler waren offenbar kleinlicher als ihre Kollegen in den grossen Staaten.
Mit jenem CEO und mit den betreffenden Kollegen pflegte ich noch jahrelang freundschaftliche Kontakte. Er liebte wie ich einfache Stammesvölker, besuchte deren Dörfer mit einem jeweils gemieteten Motorrad und lebte darin seine Ferien. Dann musste ich leider erfahren, ich war schon in Haïti, dass ein Konkurs auch jenem Konzern und damit sicherlich auch seinem grosszügigen Verhalten ein jähes Ende gesetzt hatte. Vermutlich war es das rasch wuchernde, schlechtere und billigere Internet, das unserem „VideoMit“ den Garaus machte. Eine Folge der neuen Welt, in der nur noch der Preis, nicht mehr die Qualität zählte.
Ein haïtianischer Freund lebt seit Jahren in der Diaspora, hält sich mit wechselnder Adresse bei Landsleuten versteckt und lebt von Almosen. Er ist ein Papierloser, ein Opfer der Umstände, ein Flüchtling, den es gar nicht gibt. Ein Gebildeter, kennt Sprachen, hat bankfachliche Kenntnisse, war auch CEO, also Unternehmensführer in der Welt der Finanzen, einer komplexen Welt. Vor vielen Jahren war er Mitgründer einer Bankenkette in der Karibik, ich glaube es waren mehr als 300 Banken. Die waren am Explodieren. Denn wohl jeder brachte sein Vermögen in diese Bank.
Er hatte den Kunden für Festgelder unwahrscheinliche Renditen versprochen, bis zu 10 % für Einlagen, die eine bestimmte Zeit blockiert auf der Bank liegen bleiben mussten und für Investitionen zur Verfügung standen. Und diese Investitionen waren ausschliesslich edler Art. So wurden nicht nur sozialer Wohnungsbau, preisgünstige Versorgungsbasen in grösseren, aber abgelegenen Siedlungen eröffnet und unterstützt, sondern auch Spitäler, Schulen, Parks, Theater und Konzerte, Sportanlässe, Projekte zu Sauberkeit und Landschaftsschutz und andere gemeinnützige Anlagen angestossen und gefördert. Alles Dinge, die der Staat versäumt hatte, und der Erfolg der jungen Männer stiess ihm (dem Staat) wohl hart auf.
Mein Freund hatte Visa für alle wichtigen „entwickelten“ Staaten und reiste viel, unter anderem auch in die Schweiz, wo ich ihn mit Unternehmensspitzen zusammenführte, die seine Idee unterstützten und eine gewisse Beratung und Ausbildung auf lange Sicht ins Auge fassten. Unser Gründer in der Schweiz war ja seinerzeit ähnlich vorgegangen, und von seinem Erfolg muss ich wohl nicht berichten. Obgleich mein Vater ein Banier und ich ein Bankneuling oder eher Bankfeind war, war ich mir grosse Probleme gewohnt und wusste noch, wie man die löst. So nahm mich mein Freund überallhin mit, und ich wurde quasi sein unbezahlter „Berater“. Leider nützten meine frühzeitigen Warnungen nichts, ich hatte vorausgesehen, wie es kommen musste. Und es kam.
Dass das die Rechnung der Etablierten durcheinander brachte ist klar, und die Lösung war einfach. Einer der Grossanleger musste nur seine Milliarden, die wohl nicht als Festgeld blockiert waren, zurückziehen, aber die waren ja alle investiert. Positiv investiert, aber das nützte auch nichts mehr. Jedenfalls war die Folge eine Bankenkrise zwar auf haïtianisch, die aber weit über die Landesgrenzen hinaus Kreise zog und vor allem die Genossenschaftsbanken umfasste, die gingen alle in die Brüche. Und jedermann der vorher eines gehabt hatte, verlor sein ganzes Vermögen. Jeder dachte natürlich, es seien die Direktoren, die sein Geld gestohlen hätten. Die Generaldirektoren flohen in andere Länder und wurden umgebracht, wenn man sie finden konnte. Vielleicht war der Präsident, vielleicht eine der konventionellen Banken, vielleicht eine konzertierte Aktion der Auslöser, man weiss es heute nicht. Die damalige Bankenkrise machte jedenfalls weltweite Schlafzeilen.
Mein Freund erwischte noch ohne Barmittel irgend ein Flugzeug und „setzte sich ab“. Die noch vorhandenen Papiere nützten nichts mehr, denn Name und e-Mail-Adresse wurden unverzüglich gewechselt. Er ist zweifellos ein Flüchtling, aber weder ein politischer oder religiöser noch ein wirtschaftlicher. Er muss sich vor der Wut des Volkes verstecken und wird wohl nie mehr in sein Land zurückkehren können. Er gehört zu den Flüchtlingen die in den Asylgesetzen nicht enthalten sind, zu den Flüchtlingen die es gar nicht gibt.
Mir wurde nahegelegt, mich ein paar Jahre lang nicht mehr in jener Gegend zu zeigen, mein Auto bekam eine offizielle Nummer und schwarze Scheiben. Auch ich gehör(t)e zu den Hansen im Glück, aber du siehst, ich setze das „t“ in Klammern. Wenigstens bis zum 12. Januar 2012, zu den finanziellen oder Pseudohansen im Glück, der richtige Hans im Glück folgte erst nachher. Seither gehöre auch ich zum Klub der Minus-Millionäre. Du weisst ja, was dann passierte. Ich gehörte nicht zu den 316.000 Toten, wenn das nicht Glück ist. Und seitdem verzichte ich auf Geld und Gut, überlasse das meinen ehemaligen Getreuen (und meiner Familie) und lasse mich von diesen unterhalten.
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