Ausländer als Chance sehen

Auslaender

Datum: 22. März 2010
Uhrzeit: 11:20 Uhr
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Autor: Otto Hegnauer
Sprachkurs Spanisch (Südamerika)

Kennen Sie das Tiroler Bergknappen-Problem? Schon im 17.Jh. wollten die angestammten Bürger nicht in den schmutzigen Bergwerken arbeiten. Deshalb holte man Fremdarbeiter aus dem Tirol. Zudem arbeiteten die billiger. Die Tiroler Bergknappen trugen das erzhaltige Gestein auf Tragräfen zur Poche, wo die Brocken zerkleinert und gewaschen wurden. Das gesäuberte Gesteinsgut wurde dann im Ofen verhüttet. Die Folge waren Fremdarbeiterprobleme, Vorurteile, Ängste und wüste Auseinandersetzungen.

Die meisten Knappen blieben, ihre Familien zogen nach, sie wurden absorbiert, und heute weiß kein Mensch mehr davon. Das Tiroler Bergknappen-Problem ist vergessen. Unser Staat hat jedenfalls keinen Schaden genommen. Von Überfremdung ist nichts zu spüren. Was Inzucht ohne die tirolische Blutauffrischung hervorgebracht hätte, weiß man auch nicht. Ähnliches wiederholte sich mit allen Fremdarbeitern, etwa mit Italienern und später mit Türken. Die Vorurteile den Ausländern gegenüber sind auch heute in unserem modernen Sklavenstaat dieselben geblieben. In der zweiten und dritten Generation sind sie vergessen. Und man erkennt die Vorteile der betreffenden Zuwanderung.

Die Vorurteile den Bergknappen gegenüber waren damals mannigfaltig:

• Sie drücken das Lohnniveau
• Sie steigern die Arbeitslosigkeit
• Sie missbrauchen die Leistungen unseres sozialen Systems
• Sie verschärfen die Wohnungsnot
• Den viel zu vielen, die es hier gibt, geht es viel zu gut
• Wir sind überfremdet, das heißt die äußeren Einflüsse auf Gesellschaft, Kultur, Nation und Sprache sind übermäßig

Man hat Angst vor allem was man nicht kennt. Angst beflügelt die Phantasie. Die Vorurteile gegenüber Ausländern sind unerschöpflich. Natürlich bestehen Unterschiede zwischen Kulturen, Erziehung, Umgebungen und Vererbung, zwischen einzelnen Menschen wie auch zwischen Gruppen nach Herkunft. Auch waschechte Inländer sind als Unterländer völlig anders geprägt als ein in abgeschotteter Kammer aufgewachsener Bergler, und doch sind sie beide gute Staatsbürger geworden. Verallgemeinern darf man nie, und ich sehe solche Einflüsse nicht als Gefährdung, sondern als Chance.

Rabenschwarze und Schlitzäugige machen Arbeiten, für die sich die Stammbürger zu gut sind – wie früher die Tiroler Bergknappen: sie putzen nicht nur Autos und Maschinen, sondern auch Büro- und andere Tische, Fenster, Böden und sogar Toiletten. Die Ausländer bringen nicht nur Arbeitskraft auch an unangenehme Orte, sie bringen auch Atmosphäre, frisches Blut, frische Ideen, sogar Spaß in die abgestandene altweltliche Mimik-Landschaft. Denn Lust und Spaß sind ansteckend.

Sie sind mit wenig zufrieden und doch glücklich, ihren mittellosen Familien daheim einen regelmäßigen Zustupf schicken zu können – von dem die meisten Familien leben müssen. Und dass sie mit weniger zufrieden sind, erregt unseren Widerstand, denn so werden sie zu Lohndrückern. Aber ich kenne zu viele Betriebe, auch renommierte Staatsbetriebe, die davon profitieren und ausschließlich Ausländer beschäftigen. Die sogar doppelt von den Ausländern profitieren weil sie vorzugsweise ausländische Frauen einstellen und diese noch weit schlechter bezahlen als die Männer.

Mit weniger zufrieden, das ist ein Problem! Armutsflüchtlinge leben in Containern oder Baracken und mit niedrigsten Fürsorgesätzen besser als in den Elendsquartieren und von den Hungerlöhnen in ihrer Heimat, und sie warten allesamt jahrelang darauf, sozusagen auf dem Gnadenwege doch aufgenommen zu werden oder untertauchen zu können.

Die Kehrseite der Medaille sind die Entwicklungshelfer, die Mitarbeiter der NGO’s, die selber ins Ausland gehen und mit Recht die Probleme vor Ort anpacken wollen. Zum Beispiel hier in Haiti. Sie tun das zwar oft zu reduzierten Entlohnungen, aber die Unterschiede sind so enorm, dass das für die einheimischen Armen immer noch unerreichbare Vermögen sind. Mit der Folge dass auch hier in der Fremde Eifersucht oder sogar Feindlichkeit entsteht. Dass man glaubt, die Helfer stehlen das was man andernorts mühsam gesammelt hatte im guten Glauben, dass dies vorwiegend den Armen zugute komme. Aber eine gute Verwaltung, geführt von kompetenten Europäern, ist eben auch nicht billig. Trotzdem, so bin ich überzeugt, ist Entwicklung zur Selbsthilfe vor Ort die beste Lösung, die Armut und damit die Völkerwanderung etwas einzudämmen, vielleicht sogar einmal in den Griff zu bekommen.

Zurück zu den in Industrienationen arbeitenden Ausländern (die Arbeitslosen werden nach einiger Zeit ohnehin abgeschoben). Die zahlen dort Quellensteuern und Sozialabgaben, viele aber profitieren später nicht davon, weil sie nicht besonders nach Rückkehr in ihr Land wissen wie und wo. Da wird es manchmal recht schwierig. Ich erlebte das selber: „Ich hatte Haus und Garten verlassen und wohnte mit Einheimischen unter Wellblech“, weil die Post nicht funktioniert und es oft jahrelang dauert (Rekord 6 Jahre), bis ein Brief ankommt. Da auch das „Lebensbestätigungs-Formular“ nicht ankam, war ich seit Monaten gestorben und bekam seit Monaten kein Geld mehr – natürlich wird das einmal nachbezahlt – aber es dauert. Ich reklamierte bei der Botschaft. Es dauert trotzdem. Ich bin ja ausbildungsmässig mehr vorbelastet als ausländische Rückkehrer, die vielleicht kaum unsere Sprache können. Und ähnliche Postverhältnisse und folglich Zombies gibt es weltweit nicht nur in Haiti – sodass die Milliarden Franken von tausenden von Rückkehrern für immer bei AHV & Co. bleiben…

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Die exklusive Haiti-Kolumne im latina press Nachrichtenportal von Otto ‚Swissfot‘ Hegnauer. Der ehemalige Lehrer lebt seit mehreren Jahrzehnten auf Haiti und berichtet exklusiv von seinem täglichen Leben auf der Insel Hispaniola.

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