„China Leaks“ Karibik: „ROG“ veröffentlicht zensierte Artikel

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Angehörige von Chinas Machtelite sollen immense Geldsummen in karibische Steueroasen verschoben haben (Foto: RoG)
Datum: 24. Januar 2014
Uhrzeit: 14:28 Uhr
Leserecho: 1 Kommentar
Autor: Redaktion
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Die international tätige Nichtregierungsorganisation „Reporter ohne Grenzen“ (ROG) verbreitet über ihre Webseite „We Fight Censorship“ die in China zensierten Veröffentlichungen über die lukrativen Geschäfte der Pekinger Polit-Elite in internationalen Finanzoasen. Damit unterstützt ROG die Bemühungen eines internationalen Verbunds recherchierender Journalisten, die heimlichen Beziehungen zwischen der Führung in Peking und internationalen Finanzdienstleistern einer kritischen Prüfung durch die chinesische Öffentlichkeit zugänglich zu machen. China hat auf die Veröffentlichungen von Medien wie dem „Norddeutschen Rundfunk“, der „Süddeutschen Zeitung“, der französischen „Le Monde“ und des britischen „Guardian“ mit einer ungewöhnlich starken Welle der Internetzensur reagiert. Laut deren Meldungen haben Angehörige von Chinas Machtelite systematisch immense Geldsummen in karibische Steueroasen verschoben. Es geht demnach um bis zu vier Billionen Dollar.

„Chinas Reaktion auf die Veröffentlichungen verdeutlicht umso mehr, dass diese Recherchen von größtem Interesse für die Öffentlichkeit sind“, sagte ROG-Geschäftsführer Christian Mihr. „Wir wollen unseren Beitrag dazu leisten, dass diese Informationen auch chinesischen Lesern zugänglich werden. Man darf das Internet nicht den Zensoren überlassen, sondern sollte seine Möglichkeiten lieber zugunsten der Informationsfreiheit nutzen.“

Ein internationales Team investigativer Journalisten hatte seit Monaten detaillierte Informationen darüber zusammengetragen, wie nahe Verwandte wichtiger chinesischer Politiker und andere Mitglieder der chinesischen Machtelite in Offshore-Finanzplätzen über Jahre Vermögen angesammelt haben – und wie sie offenkundig versuchen, ihren Reichtum vor der Öffentlichkeit zu verbergen. Den Grundstein der Recherche bildet ein umfangreicher Datensatz, den ein anonymer Informant 2011 dem Internationalen Konsortium Investigativer Journalisten (ICIJ) in Washington zuspielte. Das ICIJ wertet die Daten seitdem zusammen mit Reportern aus aller Welt aus.

Nach der Veröffentlichung der Rechercheergebnisse am Dienstag und Mittwoch blockierten die chinesischen Behörden die Internetseiten der meisten beteiligten Medien, wie GreatFire.org berichtete, eine auf die Beobachtung der Pekinger Internetzensur spezialisierten Webseite. Als ungewöhnlich bewertete die Seite, dass nicht nur einzelne Artikel, sondern fast durchweg die kompletten Web-Präsenzen zensiert wurden. Außerdem würden sonst selten englischsprachige Seiten gesperrt, wie nun geschehen. Neben dem ICIJ haben auch die Süddeutsche Zeitung, Le Monde und die spanische El País eigens chinesische Versionen ihrer Veröffentlichungen produziert.

Das US-Portal China Digital Times veröffentlichte am Mittwoch eine interne Zensuranweisung chinesischer Behörden, derzufolge alle Berichte über die ICIJ-Recherchen umgehend und ausnahmslos zu löschen seien. Auch in den Twitter-ähnlichen chinesischen Weibo-Mikrobloggindiensten wurden Medienberichten zufolge praktisch alle Kommentare und Links zum Thema blockiert. Enthüllungen über Korruption und versteckten Reichtum chinesischer Spitzenpolitiker gehören zu den journalistischen Themen, auf die die Mächtigen in Peking besonders empfindlich reagieren.

Streisand-Effekt: Was unterdrückt wird, verbreitet sich umso mehr

Die Ende November von ROG gestartete Anti-Zensur-Plattform We Fight Censorship zielt darauf, die Zensurversuche repressiver Regime in aller Welt zu unterlaufen. Ob Videos über die tödliche Explosion in einem turkmenischen Waffenlager oder Polizeigewalt in Belarus, ob eine unliebsame historische Rede des iranischen Revolutionsführers oder eine verbotene Zeitung in Kuba – auf We Fight Censorship steht, was autoritäre Machthaber lieber verschwiegen hätten.

Dazu macht ROG in leicht kopierbarer Form Artikel und Videos zugänglich, die in bestimmten Ländern nicht in den Medien auftauchen oder für die ihre Urheber verfolgt werden. Internetnutzer in aller Welt werden ausdrücklich ermutigt, die Seite zu spiegeln, damit möglichst viele Kopien der zensierten Inhalte in Umlauf kommen. Damit setzt ROG auf den sogenannten Streisand-Effekt: Je stärker Zensoren versuchen, bestimmte Informationen zu unterdrücken, desto mehr verbreiten sie sich – vor allem im Internet. Nutzer können mit einem Internetformular selbst Inhalte für We Fight Censorship einreichen. Vor der Veröffentlichung prüft ROG die Inhalte und erklärt den Zusammenhang, in dem sie veröffentlicht und zensiert wurden.

China nimmt den 173. Platz unter 179 Ländern auf der weltweiten ROG-Rangliste der Pressefreiheit ein und zählt zu den Feinden des Internets – jenen Staaten und Unternehmen, die die Informationsfreiheit im Cyberspace weltweit am stärksten einschränken. Aktuelle Informationen zu Verstößen gegen die Pressefreiheit in China finden Sie hier, eine detaillierte Darstellung der chinesischen Internetzensur und -kontrolle hier (beides in englischer Sprache).

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  1. 1
    Herbert Merkelbach

    Es ist kein Geheimnis, dass große deutsche INDUSTRIEUNTERNEHMEN, u. a. aus der Automobilbranche, Briefkastenfirmen „off-shore“, auch in der Karibik, unterhalten.

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