Fußball-WM 2014: FIFA zahlt den Preis für das Ignorieren der Warnsignale aus Brasilien

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Bauarbeiten am "Castelão-Stadion" in Fortaleza (Foto: latinapress/IAP/Dietmar Lang)
Datum: 25. Januar 2014
Uhrzeit: 10:55 Uhr
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Vom 12. Juni bis zum 13. Juli 2014 findet in Brasilien die Endrunde der Fußball-Weltmeisterschaft 2014 statt. Knapp 130 Tage vor Eröffnung des Mega-Spektakels wird das Chaos sichtbar, mit dem die Verantwortlichen zu kämpfen haben. Derzeit liegen insgesamt sechs der zwölf vorgesehenen WM-Stadien hinter dem Zeitplan zurück, die Arbeiten an mehreren Flughäfen und Zufahrtsstraßen sind im Verzug. Anlässlich der horrenden Kosten für das Ausrichten der WM sind für dieses Wochenende (25. Januar) Demonstrationen in 36 Städten angekündigt. Der Fußball-Weltverband FIFA hat die Warnungen im Vorfeld übersehen und kann sich nicht hinter Unwissenheit verstecken.

Die Warnzeichen waren bereits im Jahr 2007 deutlich, als Rio de Janeiro die 15. Panamerikanischen Spiele ausrichtete. Bei der Organisation zu der zur WM 2014 relativ kleinen Veranstaltung kam es bereits zu chaotischen Zuständen. Ungeplante und in die Höhe schnellende Mehrkosten, Verzögerungen bei der Erweiterung der U-Bahn, Probleme und nie verwirklichte Konstanten beim Bau von Wettkampfstätten (von denen viele erst in letzter Minute abgeschlossen wurden), drangen offensichtlich nicht bis nach Zürich durch.

Diese Probleme spielten nur drei Monate später keine Rolle mehr. Die CONMEBOL, die südamerikanische Fußball-Konföderation, hatte sich auf Brasilien als einzigen Bewerber um die WM 2014 festgelegt, da in diesem Jahr der brasilianische Fußballverband Confederação Brasileira de Futebol (CBF) 100 Jahre alt wird. Bei der Auswahl Brasiliens als Gastgeber für die WM erfüllte kein einziges brasilianisches Stadion die FIFA-Anforderungen für Fußball-Weltmeisterschaften. Am 30. Oktober 2007 wurde Brasilien in Zürich auf Beschluss des FIFA-Exekutivkomitees zum zweiten Mal nach 1950 zum Gastgeber der Weltmeisterschaft erklärt. Bei einem Inspektionsbesuch hatte die FIFA zuvor im August 2007 fünf der 18 möglichen Spielorte besucht. Fragen zu Brasiliens maroder Infrastruktur, soziale Probleme, Kriminalität und Gewalt im Land, wurden vernachlässigt.

Seitdem sind rund sechseinhalb Jahre vergangen und die Organisatoren kämpfen mit den etwa gleichen Problemen wie bei der Vorbereitung auf die Panamerikanischen Spiele 2007. Die FIFA hat Probleme wie Verzögerungen beim Stadionbau, Kürzungen des ursprünglichen Budgets und den hinterherhinkenden Infrastrukturprojekten gesehen und nicht ausreichend eingegriffen.

„Das brasilianische Modell ist ein Beispiel für die Welt. Der Bau und Umbau von Stadien findet vorrangig durch private Finanzierung und langfristige Konzessionen aus dem öffentlich-privaten Sektor statt. Ziel ist es, moderne Stadien zu bauen und damit den FIFA-Anforderungen zu folgen – während die öffentlichen Mittel für die grundlegende Infrastruktur, einschließlich der Sicherheit, Flughäfen, Straßen und Krankenhäuser, verwendet werden“, gaben die Inspektoren der FIFA bekannt.

Stattdessen wurden die öffentliche Mittel zum Bau der Stadien verwendet und viele der versprochen Infrastrukturprojekte wurden nie verwirklicht. Der Luftverkehr bereitet ebenfalls große Kopfschmerzen, gibt allerdings laut einem FIFA-Bericht keinen Grund zur Besorgnis. Als Südafrika Gastgeber der WM vor vier Jahren wurde, war die FIFA in den Prozess eingebunden und übte Druck auf das gastgebende Land aus, wenn sich die Organisation verzögerte.

Die FIFA wollte ursprünglich nur acht bis maximal 10 Veranstaltungsorte, um logistische Probleme zu reduzieren. Brasilien setzte sich durch und bestand auf zwölf Städte, die aus insgesamt 17 Bewerbern für die Austragung der Spiele ausgewählt wurden. „Die FIFA war sich vielleicht nicht hinreichend im klaren darüber, was alles bis zum Beginn der Spiele in Brasilien passiert. Die brasilianische Gesellschaft – auch die Wirtschaft – ist wesentlich stärker beziehungs- als funktionsorientiert. Wenig geschieht auf der Grundlage eines „Rechts“, einer „Pflicht“ oder einer schriftlichen Vereinbarung. Ein aggressiveres Auftreten des Weltverbandes wäre wünschenswert gewesen“, analysiert Christopher Gaffney, Forscher und Professor an der Universität „Federal Fluminense en Niteroi“.

Nach seinen Worten fanden die „Protestchen“ der FIFA zwar regelmäßig statt, versickerten aber angesichts des Stolzes im „Land des Fußballs“ wirkungslos. Wie alle Länder Lateinamerikas reagiert auch Brasilien äußerst empfindsam auf Einmischungen von außen und sieht sofort die „Souveränität der Nation“ bedroht.

„Die FIFA hatte nicht viel Kontrolle auf die WM. Vielleicht war es ein Mangel an Verständnis für den Jeitinho brasileiro“, so Gaffney. Das Wort Jeitinho ist die Verkleinerungs oder Verniedlichungs Form von Jeito (Ausweg) und hat viel mit dem brasilianischen Lebensgefühl zu tun. Vor allem ist er ein gängiges Mittel mit den Hindernissen und Barrikaden im Alltag fertig zu werden. Das Überlisten der Bürokratie, der Ämter und Amtspersonen liegt den Menschen in Brasilien im Blut. Sie haben es verstanden, sich mit ihrer Situation zu arrangieren und ihre „vermeintlichen“ Unterdrücker aus zu tricksen.

Die FIFA ist guter Hoffnung und schiebt alle Probleme weit von sich. „Am Ende wird alles fertig sein, überall in Brasilien“, gab Joseph „Sepp“ Blatter, Präsident des Weltfussballverbandes, bekannt.

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