Es ist Ostern 2010. Habe soeben mit Melissa in Santo Domingo, der Hauptstadt der Dominikanischen Republik, geskypt – es geht ihr gut – und dann sofort ein e- Mail geschickt an die Kids von Suhr und ihre Lehrerin, mit folgendem Inhalt:
„Ganz kurz, Melissa hat das Wunder geschaffen, ist in SDO mit 2 Koffern voll Spielzeug für ihre Kids, dank EUREM Geld!, angekommen und fährt heute im Bus weiter nach Haiti.
Wunder Nr.2: die Briefe seien noch angekommen, ich solle in ihrem Namen vielmals danken, das tu ich damit – war das letzte Skype, ab jetzt keine Verbindung mehr. Ziel heute: Haiti per Bus.“
Nochmals knapp die Chronologie der Ereignisse:
12.1.10 abends – das Beben tobt los, wir biwakieren 10 Tage unter schrecklichen Erdstössen und Verbrecherschüssen im Freien, Melissa verliert fast einen Finger, ihre Schwester Majorie ist schwer verletzt, Mystals Familienangehörige sind umgekommen. Ich vernehme erst später, dass ich alles verloren habe.
23.1.10 – über Nacht bringt uns die Schweizer Botschaft nach Santo Domingo, mit vielen anderen Flüchtlingen. Wegen Gebrechlichkeit will mich Melissa eigentlich nur kurz begleiten und gleich wieder zurück nach Haïti. Von der Schweizer Botschaft erhält sie ein Visum, darauf warten wir einige Tage, doch auch die Flugzeuge sind für langezeit ausgebucht. Da der Flughafen in der Prinzenstadt für Zivile gesperrt ist, bleibt nur SDO. Durch diesen Flaschenhals möchten jetzt Millionen.
12.2.10 – Abflug nach Zürich, endlich. Drei Wochen sind wir im Hotel für Plätze in einem Flugzeug angestanden. Wir können nicht mehr beurteilen, ob die täglichen Erdstösse Trauma-Schocks oder Wirklichkeit sind. Hier spricht man Spanisch. Das hab ich vor 65 Jahren versäumt, damals in der Schule. Die Kinder von Melissa sind jetzt schon seit 4 Wochen allein.
20.2.10 – Mit einem Billigflug ( halb so teuer wie der Zug ! ) besuchen wir Freunde der französischen Botschaft in Paris. Der billigste Flug wird aber zum teuersten, denn wir werden überfallen und beraubt: Bargeld, Pässe, Visum Melissas, alle Karten, ein Bankbüchlein, ein Fotoapparat und alles andere was wichtig ist, ist weg. Wir verbringen Tage auf Polizei und Botschaften, schliesslich kann ich mit einem Laissez-passer weg, die Beschaffung neuer Papiere in der Schweiz dauert weitere drei Wochen.
Melissa aber ist total blockiert. Ihre Identität lässt sich nicht beweisen, Passamt und Passmaschinen in Haïti sind zerstört, zudem hat die französische Regierung die Rückreise von Bürgern dieses Landes in ihre Heimat untersagt, da man niemand in Chaos und Tod schicken will. Niemand weiss weiter. Melissas Kinder bleiben allein.
1.4.10 – Ein Wunder ist geschehen, rechtzeitig zu Ostern. Melissa hat ein Laissez-passer erhalten und kann damit nach Haïti reisen und endlich, nach fast 3 Monaten, ihre vier Kinder (v.l.n.r.) Mitou, Gia, Aude, Yaoundie, und ihren Mann Mystal ( hinten ) wieder in die Arme nehmen.
Also, ich hab es ja immer gesagt: „auf JEDES Wellental folgt wieder ein Wellenberg, man muss nur warten“. Und: „es gibt noch Wunder“. Heute natürlich ein Osterwunder. Ich habe mal nachgesehen, was Google dazu meint: „Ostern ist die jährliche Gedächtnisfeier der Auferstehung Jesu Christi im Christentum, der nach dem Neuen Testament als Sohn Gottes den Tod überwunden hat. Die Drei-Tage-Feiern (Triduum paschale) erstrecken sich von der Feier des Letzten Abendmahls am Gründonnerstagabend über den Karsamstag, den Tag der Grabesruhe des Herrn, bis zum Anbruch der neuen Woche am Ostersonntag. Mit diesem beginnt die österliche Freudenzeit („Osterzeit“), die fünfzig Tage bis einschließlich Pfingsten dauert.“
Jesus ist auch für Melissa die wichtigste Figur, die immer anwesend ist, immer hilft, davon ist sie überzeugt, die wohl auch heute geholfen hat, dass das Osterwunder geschehen konnte. Auch sie hat den Tod überwunden, war doch Paris FAST der Tod, und die neue Woche, morgen am Ostersonntag, wird in ihrer Heimat Haiti beginnen. Auch mit diesem wird eine Freudenzeit anbrechen, die diesmal nicht nur fünfzig Tage dauern, sondern nachhaltig sein soll, für Melissa, und für Haiti!
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