Nach dem Karneval in Strömen haben wir heute früh wieder Sonne in Strahlen, über Vertrampelte haben wir noch nichts gehört. Der Blumenkarnaval kann weitergehen, zum Gaudi unserer Begleiter. Ich bleibe in Sicherheit, haushälterisch mit meinen physischen „Kräften“. Gelegenheit zu ein paar allgemeinen Bemerkungen: Der Blumenkarnaval kann etwa mit dem europäischen Blumenkorso oder dem Carnaval de Nice verglichen werden. Karnavalbräuche werden besonders in karibischen und südamerikanischen Staaten gepflegt. Sie sind besonders bekannt aus Brasilien und Venezuela und wirken als Besuchermagnet. Karnavalbräuche sind ein Mittel, um unangenehme Wahrheiten auszuposaunen, etwa über die übliche Hilfskräfte-Industrie. Karneval selbst ist zu einer lukrativen Industrie geworden, denn nichts anderes vermag so viel Volk zu mobilisieren, so viel Geld umzusetzen und so viel Freud aber auch Leid zu generieren wie Karnavalbräuche.
Aus haïtianischen Provinzstädten, besonders aber der Prinzenstadt Port-au-Prince, sind Karnavaltraditionen schon seit über 100 Jahren bekannt und besonders wild. „Kleinere“ Karnavalbräuche sind etwa der Blumenkarnaval vom 27.-29. Juli oder die Raras während der katholischen Fastenzeit, aber auch spontan während des ganzen Jahres. Sie bestehen aus skurrilen Défilées und Paraden und werden von Protestanten weitgehend gemieden. Sie werden beherrscht von vaudouensischen und sexistischen „Sünden“ und Tänzen, obszönen „Witzen“ und Spielen, Veralberungen der Politiker und Protagonisten, aufwieglerischen Botschaften, selbst Katastrophen wie Erdbeben, Cholera, Sintfluten und Jahrhundertstürme werden verulkt. Sie werden von den betroffenen Kreisen ebenso verpönt wie vergöttert.
In der Prinzenstadt zwängen sich Millionen durch die Strassen, man wird mitgetrieben oder mitgeschwemmt, an eigene Ziele oder Verkehrsmittel ist gar nicht zu denken. Karnaval ist ein Massen-Phänomen und eine lukrative Industrie, wenigstens für ausgewählte Kreise. Klar, dass die Veranstalter und Eigner die Gelegenheit nutzen, viel Geld zu verdienen, in einem Land, in dem es keine Wirtschaft und keine Bodenschätze, keine Arbeit und fast nur Abfälle gibt. Um den Wunsch nach Teilnahme zu befriedigen, musst Du schon Monate oder Jahre voraus einen Tribünen- oder mindestens Gebäude- oder Hotel- Dach- oder -Terrassenplatz ergattern, und der ist nicht billig.
Karnavalbräuche bilden eine Herausforderung für Sicherheitskräfte. Um nicht noch mehr zu provozieren, müssen sich diese weitgehend verstecken und doch überall in genügender Stärke präsent sein. Die üblichen Risiken wie Raub, Diebstahl und Staus sind stark erhöht, die Strassen völlig verstopft und oft während Stunden wie eingefroren, Ein Hauptgrund sind die gigantischen Karnavalskarren, die die ganzen Strassenbreiten ausfüllen und oft in den Kurven stecken bleiben. Verletzungsgefahr besteht auch durch herumgeworfene Steine und Felsbrocken, Alte und Schwache werden vom Strom mitgerissen und regelrecht vertrampelt. Ich jedenfalls habe es seit jeher vorgezogen, die Ereignisse in weitem Bogen zu umfahren und gefahrlos im Fernsehen zu verfolgen. Einzigartiges Beispiel war gestern Abend; da sah man nicht nur unbehindert die Höhpunkte, sondern man wurde auch nicht nass oder zertrampelt nach der Millionenpanik beim Wolkenbruch.
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