Cannabis ist kein Allheilmittel in der Schmerztherapie

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Rund 7.000 Marihuana-Pflanzen gedeihen unter der Aufsicht der chilenischen Regierung in der Nähe der Stadt Colbun (Foto: fundaciondaya)
Datum: 28. September 2017
Uhrzeit: 10:10 Uhr
Leserecho: 4 Kommentare
Autor: Redaktion
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In vielen Ländern Lateinamerikas prüfen die Regierungen die Legalisierung von medizinischem Cannabis. In Peru hat das Parlament die technischen Kriterien für die Zulassung von Marihuana als Alternative Medizin erörtert, die Nationale Behörde für Gesundheitsüberwachung (Agência Nacional de Vigilância Sanitária/Anvisa) in Brasilien hat bereits zum ersten Mal ein auf Cannabis-basiertes Medikament zugelassen. Chile hat im Januar 2016 die größte in Lateinamerika betriebene Cannabis-Plantage für medizinische Zwecke eingeweiht. Cannabis ist allerdings kein Allheilmittel in der Schmerztherapie.

Die Deutsche Schmerzgesellschaft e.V. und die Deutsche Migräne- und Kopfschmerzgesellschaft e. V. (DMKG) weisen darauf hin, dass lediglich bei einem Bruchteil der Erkrankungen mit chronischen Schmerzen erwiesen ist, dass cannabisbasierte Arzneimittel helfen. Von einer Eigentherapie mit Cannabisblüten raten Experten ausdrücklich ab, da die Dosierungen ungenau seien und es zu unerwünschten, gesundheitsschädlichen Nebenwirkungen kommen könne.

„Es besteht keine ausreichende Evidenz, dass cannabisbasierte Arzneimittel in der Therapie bei Tumorschmerzen, rheumatischen und gastrointestinalen Schmerzen oder bei Appetitlosigkeit bei Krebs und AIDS wirksam sind“, erklärt Professor Dr. med. Winfried Häuser, Kongresspräsident und Ärztlicher Leiter des Schwerpunktes Psychosomatik der Klinik Innere Medizin I des Klinikums Saarbrücken. Häuser wertete zusammen mit Kollegen aus insgesamt 750 identifizierten Studien elf systematische Übersichten zu diesem Thema aus, die zwischen Januar 2009 bis Januar 2017 erschienen sind. Die Forscher kommen in der aktuell im Deutschen Ärzteblatt veröffentlichten Arbeit zu dem Ergebnis, dass keine ausreichende Evidenz für cannabisbasierte Arzneimittel (Dronabinol, Nabilon, Medizinalhanf, THC/CBD-Spray) bei Tumorschmerzen, rheumatischen und gastrointestinalen Schmerzen besteht. Auch positive Effekte bei Appetitlosigkeit, unter der Krebspatienten und Menschen mit AIDS häufig leiden, sind nach der wissenschaftlichen Auswertung nicht erwiesen. „Eine ausreichende Quantität der Evidenz besteht nur beim neuropathischen Schmerz“, ergänzt Häuser.

„Cannabis als Schmerzmittel ist seit der Gesetzesänderung im März en vogue. Die intensive Medienberichterstattung hat dazu geführt, dass zum Teil auch Kopfschmerzpatienten eine Verordnung vehement einfordern“, berichtet PD Dr. med. Stefanie Förderreuther, Präsidentin der Deutschen Migräne- und Kopfschmerzgesellschaft (DMKG) e. V.. „Doch leider ist die Studienlage auch in diesem Bereich noch zu dürftig, als dass wir eine reguläre Behandlung mit Cannabinoiden empfehlen würden. Wir brauchen Studien, die beweisen, dass eines oder verschiedene Cannabinoide in der Behandlung von definierten Kopfschmerzsyndromen nicht nur wirksam, sondern vor allem auch sicher sind. Anders als bei allen zur Kopfschmerzbehandlung zugelassenen Substanzen fehlen entsprechende Daten.“ Die Oberärztin der Neurologischen Klinik der Ludwig-Maximilians-Universität München warnt daher insbesondere vor der übereilten Verordnung von Cannabis bei Kopfschmerzen und Migräne.

Die weibliche Hanfpflanze Cannabis sativa enthält etwa 500 verschiedene Komponenten, davon circa 100 Cannabinoide. Zwar ist die medizinische Wirksamkeit bei Schmerzlinderung und Entzündungen von zwei Cannabinoiden, nämlich Tetrahydrocannbinol (THC) und Cannabidiol (CBD), in Einzelfällen und durch einige klinische Studien erwiesen. Doch die Wirkeffekte auf den menschlichen Körper sind noch weitgehend unerforscht. „Es müssen zunächst für jedes Krankheitsbild methodisch gut gemachte randomisierte plazebokontrollierte Studien vorliegen, die den gewünschten Effekt einer Schmerzlinderung belegen und die Art, Schwere und Häufigkeit von Nebenwirkungen wie zum Beispiel Verwirrtheit oder Psychosen erfassen“, betont Förderreuther. „Es ist darüber hinaus sehr wichtig, verschiedene Formen von cannabishaltiger Medizin zu unterscheiden“, erläutert Häuser. Derzeit sind 14 Sorten Cannabisblüten auf Rezept erhältlich – so genannter Medizinalhanf. Die Konzentration des darin enthaltenen Tetrahydrocannabinols (THC) liegt zwischen 1 und 22 Prozent, die des Cannabidiols (CBD) zwischen 0,05 und 9 Prozent. „Erschwerend hinzu kommt, dass uns Dosierungsangaben für einzelne Indikationen fehlen“, mahnt Häuser. Des Weiteren stehen aus diesen Blüten gewonnene Extrakte mit definierten Konzentrationen an THC sowie synthetisch hergestellte THC-Analoga zur Verfügung.

Die Deutsche Schmerzgesellschaft e.V. begrüßt dennoch die Gesetzesänderung des Bundestags. Sie hebt nun die bisherige Barriere bei der Kostenerstattung von cannabishaltigen Rezeptur- und Fertigarzneimitteln auf. „Wichtig ist allerdings, dass Cannabinoide nicht als isoliertes Therapieverfahren, sondern in Kombination mit physiotherapeutischen und schmerzpsychotherapeutischen Verfahren genutzt werden“, fordern Häuser und Förderreuther. Jede Form einer Eigentherapie lehnen die Experte wegen unüberschaubaren Nebenwirkungen durch drohende Dosis-Schwankungen ab.

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  1. 1
    Bono

    So ein Dummschwätzer, dieser Häuser. Ich leide seit Jahren an Rheuma und mir hilft Cannabis sowohl gegen die Schmerzen als auch gegen die Entzündung.

    • 1.1
      CamisaAzul

      Kann mich nur anschließen!
      Selten so einen Blödsinn über die älteste Heil – und Kulturpflanze der Welt gelesen.

  2. Kein Dummschwätzer, sondern einer, der gewissenlos mit den Wölfen heult!

    Meine Mutter lebte mit einem großen Pankreas Karzinom fast drei Jahre länger, als einige Kapazitäten der Schulmedizin es für möglich gehalten hatten. Erwiesenermaßen nur Dank einer alternativen Therapie, die von diesen Halunken als Scharlatanerie verurteilt wird.

    • 2.1
      CamisaAzul

      Sehr gut umschrieben Herr Bauer.
      „Die Wölfe“ sind in diesem Fall – und ich denke hier stimmen wir ausnahmsweise einmal überein – eigentlich nur ein Wolf und zwar die Pharmaindustrie.
      Cannabis kann man nicht patentieren und deshalb keine Milliarden damit machen, das gilt auch für weitere, alternative und vor allem, viel kostengünstigere Heilmittel oder Methoden.
      Dr. Häuser ist mit höchster Wahrscheinlichkeit, einer dieser gewissenlosen Sprachrohre der Pharma Mafia.
      In diesem Zusammenhang empfehle ich übrigens jedem, sich über den sogenannten
      „FLEXNER REPORT“ zu informieren.
      In YouTube gibt es auch Videos dazu, es öffnet einem die Augen über den „teuflischen Pakt“ zwischen Pharma und Schulmedizin.

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