Es ist ja schon merkwürdig, wie rasch sich die Vorurteile ändern. Noch vor einem halben Jahr getraute sich kaum jemand nach Haïti, und ich erhielt Fragen von verängstigten Spendern und Idealisten, die kommen wollten um etwas zu stiften, Gutes zu tun.
Sie alle wollten wissen, ob man eine Reise ins Teufelsland wagen dürfe, entgegen den Reisewarnungen der Offiziellen.
Und kaum galt Haïti als mehr oder weniger sicher, erkundigten sich die Einwanderungs-Aspiranten. Da die Fragen meist die gleichen waren, skizziere ich einige allgemein gültige Bemerkungen, auf die ich künftig verweisen werde.
Zuerst will ich ein paar Schubladen anschreiben, in die sich Einwanderungswillige platzieren lassen. Desertierende Blauhelme werden eher selten auftauchen, aber Soldaten, Funktionäre, Berufsleute und ausländische Arbeiter ( wie immer ist die weibliche Form mit gemeint ) ziehen es manchmal vor, hier zu bleiben, statt in Frost und Frust zurückzukehren.
Dabei spielt in der Regel eine Partnerbeziehung eine Rolle, wobei der Partner einheimisch und zweifellos auch der massgebliche Berater ist. Dies ist die häufigste Form der Einwanderung, und diese Schublade würde ich grün etikettieren.
Grüne und gelbe Etiketten gebe ich der Schublade für gemischtrassische Paare, die sich im Ausland kennen gelernt und mit zunehmender Sicherheit das Bedürfnis haben, Haïti zuerst ferienhalber kennen zu lernen und sich dann dauernd niederzulassen. Auch die Jungen, Reise- und Abenteuerlustigen stelle ich in dieser Schublade ein.
Die erste Frage betrifft meist die Kosten. Die sind ähnlich wie bei uns, teils höher, teils niedriger. Beträge kann ich natürlich nicht angeben, aber wenn man über eine Rente oder einige Ersparnisse verfügt, dann lässt sich gut leben. Die Aufenthaltsbewilligung kostet weniger als 100 €/Jahr und muss jährlich erneuert werden. Wer weder über Ersparnisse noch über eine regelmässige Geldquelle verfügt ( Rente oder so ), soll lieber zuhause bleiben.
Denn mit Arbeit hier wird wohl nichts. Nicht dass es keine gibt, im Gegenteil, aber keine bezahlte. Im Lande der Armut hat niemand Geld, und wenn er dich findet und braucht, zahlt er dir einen Pappenstiel. Und davon kannst du nicht leben. Suchst du das ? Die Frage nach der Arbeitsbewilligung ist berechtigt.
Aber niemand kümmert sich darum. Dein Beruf ist Maurer. Solche braucht es im Moment x tausend. Aber Gelernte gibt es nicht. Und Kinder arbeiten gratis, auch auf dem Bau. Und Erwachsene für nicht viel mehr. Somit hast du gerade die besten Chancen. Aber der Lohn ist ein Butterbrot, ein paar Dollar im Tag. Das gilt übrigens bei fast allen Berufen. Das Problem für einen Einwanderer ist nicht, eine Stelle zu finden, sondern einen zahlungsfähigen Arbeitgeber.
Als Investor, Instruktor oder guter Spezialist hat man kaum Probleme, als Feld-, Wald- und Wiesenarbeiter schon eher, gibt es doch davon tausende die keine Stelle finden ( weil sie etwas verdienen möchten ), und die Arbeitslosigkeit ist so gross wie nirgendwo. Die Arbeitssituation kann sich aber so rasch ändern wie das Tropenwetter.
Als vor 5 Jahren 12’000 Ausländer nach Haïti geschickt wurden, Blauhelme, Wahlbeobachter, Militärberater, Entwicklungshelfer und viele mehr, suchte man Bewerber aus allen Berufen, wenn sie nur Kreolisch konnten. Und wer konnte das ? So waren tausende von Dolmetschern gesucht, Englisch, Französisch und vor allem Kreolisch. Und jedermann wurde Dolmetscher. Und da die Haïtianer erstaunlich lernfähig sind, wurde das Loch innert kürzester Zeit gestopft.
Jetzt gibt es schon zu viele, Kreolisch-Dolmetscher. Was werden die später nur alle arbeiten ? Mit den Informatikern war es ähnlich. Und vielen andern. Lernfähig muss man sein, und flexibel. Etwa nur in Haïti ? Die genannten Spezialisten werden aus dem Ausland bezahlt, zu den dortigen Lohnniveaux. Die sind besser dran.
Wenn du solche Gelegenheiten findest,dann pack sie ! Aber wie Du die findest, bleibt Deiner Kreativität überlassen. Aber vergiss nie: du hast Konkurrenz, die Haïtianer. Und anderen Kreativität kommst du nie und nimmer ! Doch eines weiss ich: Du kannst nie genug Ausbildung haben. Und nie genug Sprachen können. Wenn du eine Gelegenheit witterst, ist es zu spät! Viel schwieriger wird es bei Einwanderungswilligen ohne Partner von hier, sei es einzeln, vielleicht um einen solchen zu suchen, oder weisse Paare, die sich „reif für die Insel“ fühlen.
Diese Schublade erhält leider eine rote Etikette. Verzichten Sie auf solche Ideen, und machen Sie lieber mehrmals und so lange Ferien, aber auch das nicht allein, bis Sie vertrauenswürdige Freunde gefunden haben. Wissen Sie, dass man hier Kreolisch spricht ? Können Sie wenigstens Französisch ? Das ist etwas ähnlich.
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