Die Agrophotovoltaik (APV), eine Verbindung von Solarstrom- und landwirtschaftlicher Produktion auf der gleichen Fläche, hat sich bereits in Pilotprojekten in mehreren europäischen Ländern bewährt. So hat das Fraunhofer-Institut für Solare Energiesysteme ISE in Kooperation mit der »Innovationsgruppe APV-RESOLA« an einer 194 kWp großen Forschungsanlage am Bodensee nachgewiesen, dass APV die Landnutzungseffizienz um 60 Prozent steigert.
»Im nächsten Schritt geht es nun darum, den ,Proof of Concept‘ der APV-Systemtechnik in Entwicklungs- und Schwellenländern zu etablieren, wo sie ihre Stärken aufgrund der höheren Solareinstrahlung noch besser ausspielen kann. Hier liegt ein enormes Potenzial«, erklärt Stephan Schindele, Projektleiter Agrophotovoltaik am Fraunhofer ISE. Das Institut arbeitet sowohl an einem Transfer der Technologie in andere Klimazonen als auch an neuen Anwendungen.
In einem APV-Pilotprojekt in Kooperation mit Fraunhofer Chile, das im Frühjahr 2018 abgeschlossen wurde, wurden drei APV-Anlagen mit einer Leistung von je 13 Kilowatt in den Gemeinden El Monte, Curacaví und Lampa getestet. In dem von der Metropolregion Santiago de Chile unterstützten Projekt wird untersucht, welche Kulturpflanzen von einer weniger starken Sonneneinstrahlung profitieren. Sensoren erfassen meteorologische Daten wie Sonneneinstrahlung und Luftfeuchte, aber auch Bodenfeuchte und –temperatur. Diese Daten werden auch für die Optimierung der Bewässerungszyklen genutzt.
Die landwirtschaftlichen Betriebe wiesen dabei sehr unterschiedliche Profile auf: Im ersten Fall kam die APV-Anlage in einem landwirtschaftlichen Betrieb zum Einsatz, der mit sehr professionellen Methoden Brokkoli und Blumenkohl anbaut. Der Solarstrom wird in den Veredelungsprozessen wie Reinigung, Verpackung und Kühlung verwendet. Die zweite Pilotanlage wurde in einem Familienbetrieb errichtet, der darunter Kräuter anpflanzt. Im dritten Fall, in einer abgelegenen Region mit schwach entwickelter Infrastruktur und unzuverlässiger Stromversorgung, stellt die APV-Anlage die Stromversorgung für sieben Familien sicher, u.a. auch für einen Inkubator zum Ausbrüten von Hühnereiern.
Die drei APV-Anlagen in Chile sind die ersten ihrer Art in Lateinamerika. Sie werden durch Fraunhofer Chile wissenschaftlich begleitet, wobei das Fraunhofer Center for Systems Biotechnology (CSB) die agrarwissenschaftlichen Aspekte analysiert und das Fraunhofer Center for Solar Energy Technologies (CSET) in enger Abstimmung mit dem Fraunhofer ISE die energiewirtschaftlichen und technischen Fragestellungen beantwortet. Untersucht wurden die Anpassung und Optimierung der APV-Technik auf landesspezifische klimatische und wirtschaftliche Randbedingungen.
Die Ergebnisse der landwirtschaftlichen Produktion und der Solarstromerzeugung sind sehr positiv, sodass der APV-Forschungsschwerpunkt von Fraunhofer Chile mit Unterstützung der dortigen Regierung weiter ausgebaut werden soll. Die drei Pilotanlagen werden weitere drei Jahre lang im Feldbetrieb überwacht. Eine Langzeitplanung in Abstimmung mit den Farmern sieht den Test von verschiedenen Kulturpflanzen vor. »Während zu Beginn des APV-Projektes ein Technologie- und Wissenstransfer von Deutschland nach Chile stattfand, findet zwischenzeitlich der Austausch auf Augenhöhe statt. Fraunhofer ISE profitiert von den neuen Erkenntnissen aus den APV-Aktivitäten in Chile und vice versa«, so Stephan Schindele.
Das Potenzial der Agrophotovoltaik für die ariden und semi-ariden Regionen von Nord- und Zentralchile wird als sehr groß eingeschätzt, da dort große Teile der Bevölkerung von der Landwirtschaft leben, die von Trockenheit, Wüstenbildung und Wassermangel infolge des Klimawandels besonders stark betroffen ist. Durch die partielle Verschattung von Ackerflächen senken APV-Anlagen nachweislich den Bedarf an der wertvollen Ressource Wasser und bieten Nutztieren Schatten. Auch Fruchtarten, die normalerweise aufgrund des trockenheißen Klimas und der starken Sonneneinstrahlung nicht wachsen würden, können in einem APV-System kultiviert werden. Gleichzeitig kann der produzierte Solarstrom für den Betrieb von Wasserpumpen oder –entsalzungsanlagen genutzt werden.
In netzfernen Regionen bedeuten bereits wenige Solarmodule eine erhebliche Verbesserung der Lebensqualität, Zugang zu Informationen, Bildung und einer besseren medizinischer Versorgung. So haben im subsaharischen Afrika etwa 92 Prozent der Landbevölkerung keinen Zugang zu Strom. Durch die APV ergeben sich für die Landwirte eine ganze Reihe neuer Einkommensquellen, gleichzeitig sinkt die Abhängigkeit der Landbevölkerung von fossilen Energieträgern, wie Diesel für Generatoren. Zudem kann der Solarstrom für die Kühlung und Weiterverarbeitung der landwirtschaftlichen Produkte genutzt werden, die so haltbarer und besser vermarktbar werden.
Neues APV-Anwendungsgebiet: Aquakulturen
Für das vietnamesische Mekong Delta, wo sich ein Landnutzungskonflikt zwischen Aquakulturen und erneuerbaren Energien abzeichnet, hat das Fraunhofer ISE in Kooperation mit der Deutschen Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit GIZ GmbH in Vietnam eine erste Vormachbarkeitsstudie zur Kombination von Shrimpsfarmen mit Photovoltaik erstellt. Das Projekt SHRIMPS (»Solar-Aquaculture Habitats as Resource-Efficient and Integrated Multilayer Production Systems«) hat demnach das Potenzial, eine Reihe systemischer Probleme Vietnams zu lösen: Entwicklung von erneuerbaren Energien und Gegenmaßnahmen gegen den Klimawandel, Ausbau der Shrimps-Produktion bei gleichzeitigem Schutz der Wasserressourcen sowie Verringerung von Landnutzung und CO2-Emissionen. Den ersten Analysen zufolge kann die Pilotanlage in Bac Liêu etwa 15.000 Tonnen CO2-Emissionen einsparen und den Wasserverbrauch im Vergleich zu einer konventionellen Shrimp-Farm im Mekong-Delta um 75 Prozent senken.
»Die Landnutzungsrate steigt bei der Kombination von Aquakultur und Photovoltaik um mindestens 65 Prozent im Vergleich zu einer Freiflächen-Photovoltaikanlage«, so Autor Max Trommsdorff vom Fraunhofer ISE. Damit könne die Aqua-Photovoltaik einen wichtigen Beitrag zur Reduzierung von Flächenkonflikten in dem dicht besiedelten Land schaffen und helfen, den jährlich um 10 Prozent steigenden Energiekonsum aus erneuerbaren Energien zu decken. Weitere Vorteile für die Betreiber der Aqua-Farm sind der Schutz gegen Raubtiere, verbesserte Arbeitsbedingungen durch die Verschattung und eine stabile und niedrigere Wassertemperatur, die das Shrimpswachstum begünstigt. Angesichts der weltweit hohen Wachstumsraten von Aquakulturen und Photovoltaik habe das Konzept auch für eine ganze Reihe weiterer Entwicklungs- und Schwellenländer große Relevanz. »Um einen Beitrag zur ressourceneffizienten Landnutzung und zur Regeneration ausgetrockneter Böden zu leisten, engagiert sich das Fraunhofer ISE für die Umsetzung weitere APV-Demonstrationsanlagen in Entwicklungs- und Schwellenländern«, erklärt Stephan Schindele.
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