Angenommen, wir könnten die Zeit zurückdrehen und die Evolution von vorn beginnen lassen: Würden sich dieselben Arten bilden, die wir heute kennen? Mit anderen Worten: Wiederholt sich Evolution? Ist die Entstehung von Arten und deren evolutionäre Anpassung vorhersagbar? Biologen der Universität Konstanz fanden nun deutliche Hinweise auf eine sich wiederholende, sogenannte „parallele“ Evolution zumindest in kürzeren Zeitspannen von rund 1.500 Jahren. Das Forscherteam um den Konstanzer Evolutionsbiologen Prof. Dr. Axel Meyer untersuchte genetische und phänotypische Veränderungen von sieben unterschiedlichen Buntbarsch-Arten, die in Nicaragua dieselben Kraterseen besiedelten. Das Ergebnis: Alle sieben Fischarten zeigen parallele evolutionäre Anpassungen an den gemeinsamen Lebensraum. Im Mittelpunkt der Untersuchung stand die Anpassung des Auges der sieben Fischarten an die Lichtbedingungen der Kraterseen. Die Forschungsergebnisse wurden am 17. Juli 2018 im Forschungsmagazin „Evolution Letters“ online frei verfügbar veröffentlicht.
Die sieben untersuchten Fischarten stammen ursprünglich aus den beiden großen Seen Nicaraguas und besiedelten von dort aus mehrere kleinere Kraterseen. Für die Evolutionsbiologie ist dies ein ideales Untersuchungsfeld: Schließlich können hier die jüngeren Fischpopulationen der Kraterseen mit ihren Artgenossen aus den älteren Populationen, die in den großen Seen Nicaraguas geblieben sind, verglichen werden.
Im Auge des Barsches
Während die großen Seen trübes Wasser haben, das wenig Licht durchlässt, sind die Kraterseen kristallklar. Die Fischarten, die in diese Kraterseen übersiedelten, fanden sich daher in veränderten Lichtbedingungen wieder: „Die Lichtbedingungen sind verschoben von langwelligem, rötlichem Licht hin zu kurzwelligem, blauem Licht“, schildert Andreas Härer, Hauptautor der Studie. „Wir haben die Vorhersage getroffen, dass die Fische ihre visuelle Sensitivität hin zu kürzeren Wellenlängen verändern werden – und das ist exakt, was wir vorgefunden haben“, führt Härer aus. In den evolutionären Anpassungen des Auges an die veränderten Lichtbedingungen fanden die Biologen ein hervorragendes „natürliches Experiment“ unter den Buntbarschen. Schließlich mussten sich alle sieben untersuchten Fischarten, so unterschiedlich sie auch sind, an diesen einen gemeinsamen Faktor anpassen: ans Licht.
Sieben Opsine
„Wir haben alle Gene, die in der Retina des Fischauges aktiv sind, bestimmt. Wir filterten daraufhin die Opsine heraus, die für das Farbsehen zuständig sind“, erläutert Andreas Härer. Ein Opsin ist ein Protein des Sehpigments. Menschen besitzen nur drei verschiedene Opsine, eines für Rot, eines für Grün, eines für Blau. Buntbarsche verfügen hingegen über sieben verschiedene Opsine und damit über eine größere Vielfalt, um Farben wahrzunehmen. „Typischerweise verwenden sie ebenfalls nur drei davon, aber wenn die Lichtbedingungen sich ändern, können sie ein anderes Set an Opsinen verwenden“, so Härer.
Wie also verlagert sich das jeweilige Set an Opsinen, das die Fische nutzen, durch die veränderten Lichtbedingungen des Kratersees? „Welche Opsine sich im Einzelnen verändert haben, unterscheidet sich zwar zwischen den unterschiedlichen Arten – aber alle veränderten sich in dieselbe Richtung, hin zu kürzeren Wellenlängen. Netto gesehen ist das Bild einheitlich“, zieht Andreas Härer sein Fazit. Bildlich gesprochen: In ihrem „evolutionären Fahrplan“ nutzen die Arten im Detail zwar unterschiedliche Routen, aber das Ziel ist dasselbe. Gleiche Lebensräume haben bei sieben unterschiedlichen Fischarten zu gleichartigen evolutionären Anpassungen des Auges geführt.
Prognosen für die Evolution
Ob sich die Evolution nun exakt wiederholen mag, wenn wir die Zeit Milliarden Jahre zurückspulten, lässt sich nur mutmaßen. Die Konstanzer Evolutionsbiologen können aber zeigen, dass wir für kürzere Zeitspannen von mehreren tausend Jahren sehr wohl Vorhersagen treffen können, wie sich Arten wiederholt und in ähnlicher Weise an neue Umweltbedingungen anpassen werden. „Wir haben folglich die Möglichkeit, die Veränderungen, die zu erwarten sind, vorherzusehen. Zum Beispiel in Bezug auf den Klimawandel erlauben Studien wie unsere, genauere Prognosen zu liefern, wie sich Arten anpassen werden“, zeigt Andreas Härer das größere Bild auf.
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