Am Sonntag (28.) könnte in Brasilien ein rechtsextremer Politiker zum Staatsoberhaupt gewählt werden. In allen Meinungsumfragen hat der ehemalige Fallschirmjäger Jair Messias Bolsonaro einen großen Vorsprung vor dem linken Kandidaten Fernando Haddad. Zu den wichtigsten Themen, an die die Wähler denken werden wenn sie zu den Wahlen gehen, gehören „Bedrohung der Demokratie“, „Angst vor der Gewalt“, „Gesundheit und Wohlbefinden“ und „Vertreibung und Abholzung“.
Brasilien ist mit fast 150 Millionen Wählern eine der bevölkerungsreichsten Demokratien der Welt. Die Frage, die einige während dieser Präsidentschaftskampagne beunruhigt hat, war: Könnte ein rechtsextremer Präsident die demokratischen Institutionen Brasiliens untergraben? Brasilien stand von 1964 bis 1985 unter Militärherrschaft und während einige Brasilianer eine Rückkehr in diese Zeit befürchten, sprechen andere von Nostalgie nach dem, was sie als „Tage der Ordnung bezeichnen“. Bolsonaro hat letzteres genutzt und versprochen, sein Kabinett mit Generälen zu füllen, falls er gewählt wird.
Während Meinungsumfragen darauf hindeuten, dass seine Strategie funktioniert zeigt eine aktuelle Datafolha-Umfrage auch, dass die Unterstützung für die Demokratie in den letzten 30 Jahren sprunghaft gestiegen ist. 69 Prozent der Befragten gaben an, dass sie die Demokratie für den besten Regierungsstil halten, verglichen mit 42 Prozent im Jahr 1989. Ebenfalls ist unbestritten, dass ein Großteil der Bevölkerung die Amtsenthebung von Dilma Roussef und die Inhaftierung von Ex-Präsident Luiz Inácio Lula da Silva befürwortet und „genug von korrupten Politikern hat“.
Zunehmende Gewalt ist ein großes Thema in Brasilien und kann von Außenstehenden nicht nachempfunden werden. 63.880 Menschen wurden im letzten Jahr ermordet (Anstieg um 2,9 Prozent gegenüber 2016) und die Zahl der Tötungsdelikte nimmt zu. Bis zu 175 Menschen sterben täglich, die Anzahl der zivilen Todesopfer ist 2017 um 20 Prozent gestiegen, während die Zahl der toten Polizisten um 4,9 Prozent auf 367 gesunken ist. Allein in der ersten Jahreshälfte 2018 wurden im Bundesstaat Rio 632 Menschen durch „verirrte Kugeln“ verletzt und mindestens 67 von ihnen starben. Bolsonaro will die Waffengesetze liberalisieren, Rivale Haddad die Waffenkontrolle verbessern und sicherstellen, dass der Besitz von Waffen besser verfolgt/kontrolliert werden kann.
Brasilien wurde in den vergangenen Jahren für seine Bemühungen gelobt, die Kindersterblichkeit gesenkt zu haben. Aktualisierte Daten zeigen allerdings einen Anstieg. Als Erklärungsfaktoren nannte das Ministerium für Gesundheit die Wirtschaftskrise und den Ausbruch des Zika-Virus – der mit einem Anstieg der Geburtsschäden verbunden war.
Haddad und seine Partei haben versprochen Sparmaßnahmen rückgängig zu machen und eine „steuerliche Verantwortung mit sozialer Verantwortung“ durchzusetzen – wenn sie an die Macht kommen. In dem Bestreben Stimmen im verarmten Nordosten Brasiliens zu gewinnen – wo Haddad 51 Prozent der Stimmen in der ersten Runde gewann, verglichen mit 26 Prozent für Bolsonaro – will der Kandidat der Linkspartei die Sozialprogramme aktualisieren. Haddad erwähnte nicht, dass unter der Regierung von Lula und Dilma Millionen das Familienbeihilfeprogramm “ Bolsa Família“ zu Unrecht bezogen und dadurch ein „sicherer Wahl-Garant“ waren.
Laut dem Think Tank „Instituto Igarapé“ mussten zwischen 2000 und 2017 vier Prozent der Brasilianer ihre Behausungen wegen Naturkatastrophen oder Entwicklungsprojekten verlassen. Der größte Faktor, der die Menschen aus ihren Häusern trieb, waren Sturzfluten, die der Entwaldung zugeschrieben wurden. Während Brasilien die Entwaldungsrate im Jahr 2017 um 16 Prozent reduziert hat befürchten einige, dass sie in diesem Jahr ansteigen könnte, da die Umweltbehörden ihre Haushalte im Rahmen von Sparmaßnahmen gekürzt haben.
Diese Sorgen scheinen jedoch hauptsächlich Umweltorganisationen aus dem Ausland zu beschäftigen und beeinflussen nicht die Wähler in Brasilien. Im ersten Wahlgang der Präsidentschaftswahlen erhielt Marina Silva, ehemalige „grüne Umweltministerin“, nur ein Prozent Zustimmung. Bolsonaro, der von der Agrarindustrie unterstützt wird und bei einem Wahlsieg die wichtigste Regierungsbehörde zur Bekämpfung der Entwaldung abschaffen und mit einem möglichen Rückzug Brasiliens aus dem Pariser Klimaabkommen liebäugelt, erhielt 46 Prozent.
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