Unternehmerisches Fehlverhalten in den Medien: Wann wird kritisch berichtet – und wann nicht?

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Bei Fake News handelt es sich um kein neues Phänomen, doch durch soziale Medien verbreiten sie sich einfacher und rascher (Foto: GoVBrasil)
Datum: 12. März 2020
Uhrzeit: 21:23 Uhr
Leserecho: 1 Kommentar
Autor: Redaktion
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Printmedien berichten über unternehmerisches Fehlverhalten wie Umweltvergehen, Korruption oder die Verletzung von Sozialstandards nicht gleichermaßen und unabhängig. Oft lässt sich die Presse von Eigeninteressen wie Werbeeinnahmen beeinflussen. Das zeigt eine neue Studie von Dr. Marc Fischer, Professor für Marketing an der Universität zu Köln, und Dr. Samuel Stäbler, Assistant Professor of Marketing an der Tilburg University (Niederlande). Sie erscheint in der Maiausgabe des Journal of Marketing, der weltweit führenden Fachzeitschrift im Marketing. Fälle unternehmerischen Fehlverhaltens, zusammengefasst im Begriff „Corporate Social Irresponsibility“ (CSI), sind für Medien meist berichtenswerte Ereignisse mit hohem Nachrichtenwert. Für die betroffenen Unternehmen und Aktionäre kann solche negative Berichterstattung erhebliche finanzielle Folgen haben. Für die aktuelle Studie untersuchten die beiden Marketingexperten die Medienberichterstattung über 1.054 CSI-Ereignisse in 77 führenden Medien aus fünf Ländern (USA, Mexiko, Deutschland, Großbritannien und Frankreich). Sie wollten herausfinden, wann kritisch über unternehmerisches Fehlverhalten berichtet wird – und wann nicht. Dafür lasen, kodierten und bewerteten sie über 50.000 Artikel.

Die Ergebnisse sind brisant, denn das Ausmaß der Berichterstattung ist laut den Autoren keineswegs unbeeinflussbar: Die untersuchten Zeitungen und Zeitschriften berichten demnach allgemein zwar häufig über ethische Vergehen von beliebten Unternehmen mit bekannten Marken, ebenso wie über das Fehlverhalten von ausländischen Unternehmen. Wenn sie aber beispielsweise enge Werbepartnerschaften mit einem betroffenen Unternehmen unterhalten, berichten die untersuchten Medien deutlich seltener über dessen CSI-Fälle. So sinkt die Wahrscheinlichkeit der Berichterstattung auf unter 10 Prozent bei einer engen Werbepartnerschaft. Fast doppelt so viele Zeitungen berichten jedoch über das Fehlverhalten, wenn es eine ausländische Marke mit Fehlverhalten im eigenen Land betrifft. Linksorientierte Medien berichten laut den Autoren der Studie häufiger als rechtsorientierte Medien.
Interessant ist, dass die Medien sich dieser Verzerrung scheinbar nicht bewusst sind. Interviews mit Redakteurinnen und Redakteuren führender Leitmedien in Deutschland bestätigten viele Befunde noch vor der Durchführung der eigentlichen Studie. Allerdings wiesen die Redakteure den Werbeinnahmen und der politischen Ausrichtung der Zeitung keine Rolle bei der Nachrichtenauswahl zu. Die statistischen Ergebnisse der Kölner Studie, die auf der Auswertung der tatsächlichen Berichterstattung zu unternehmerischem Fehlverhalten beruhen, zeigen jedoch das Gegenteil.

Kritische Berichterstattung hat wirtschaftliche Folgen: Der durchschnittliche finanzielle Verlust an der US-Börse aufgrund eines CSI-Ereignisses beläuft sich laut der Studie auf rund 321 Millionen US-Dollar. Das Ausmaß des Schadens, den ein CSI-Ereignis einem Unternehmen zufügt, hängt dabei stark davon ab, wie viel Medienaufmerksamkeit das Ereignis erhält. So reagierte etwa der Markt nur dann auf die CSI-Fälle, wenn vier oder mehr US-Medien darüber berichteten. Das Verständnis der zugrundeliegenden Mechanismen, wie Nachrichtenmedien Ereignisse auswählen, ist für Unternehmen demnach spannend, um schlechte Presse zu prognostizieren und geeignete Instrumente für vorbeugendes Handeln zu finden.

Professor Dr. Marc Fischer sagt: „Die Studienergebnisse lassen Aussagen zur selbst gepriesenen Unabhängigkeit diskussionswürdig erscheinen. Erstaunlich ist auch, um wie viel häufiger über das Fehlverhalten ausländischer Unternehmen berichtet wird, während inländische Unternehmen im Vergleich dazu seltener Gegenstand der Berichterstattung sind. Medien sind neben Politikern, die manchmal opportunistisch handeln, vermutlich die Akteure, die mit viel Druck die höchsten Wertestandards und sozialen Normen bei öffentlichen Personen und Unternehmen einfordern. Die Ergebnisse unserer unabhängigen Studie zur Berichterstattung über ethisches Fehlverhalten von Unternehmen zeigen: Die von den Medien eingeforderten hohen Maßstäbe werden beim eigenen Verhalten offensichtlich nicht immer eingehalten.“

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  1. 1
    Paddy Zé

    In der Schweiz ist es in den letzten 19 Jahren unerträglich geworden, irgend eine Zeitung zu lesen.
    Tages-Anzeiger, Frankfurter Allgemeine, etc.. ist mit TA-Media im ganzen deutschsprachigen Raum zum Teil Monopolist und verbreitet mit den Gratiszeitungen Webeblätter, die ganz klar darauf abzielen, Junge Leute die Waren ihrer Sponsoren anzudrehen und sich politisch auf die Seite der Nato-Interessen zu stellen. Blick und die NZZ sind genau so Propogandaschleudern und berichten IMMER wirtschaftsfreundlich. Warum sag ich 19 Jahre, seit Nine-Eleven, Gebäude 7 erst nach der Berichterstattung und kein Flugzeug einschlug, zusammen stürzte, wusste man, die Medien sind so käuflich und korrupt, wie jeder andere Lobbyist im Bundeshaus. Heute sind die Medien weitestgehend Gleichgeschaltet, wenn es um Aussenpolitik geht, fremdgesteuert von Washington.
    Die Wirtschaft und der globale Wachstum, ihr höchster Gott. Kritische Stimmen, kommen erst gar nicht eine Plattform oder werden von 5 Systemtrolle gleichzeitig defamiert. Die einzigen unabhängigen Medien, beziehen keine Zwangsgebühren und sind unter KenFM abrufbar.

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