Es ist hier so schön, dass man beinahe vergisst, andernorts auf der Welt auch schon ähnliche Sonnenuntergänge erlebt zu haben. Weil die damals geschossenen Fotos nicht mehr greifbar sind, habe ich mir einen Schwindel erlaubt und das Bild einer haitianischen Insel vorangestellt, was etwa der gleichen Stimmung entspricht.
Von meinem Türmli kann ich diese Insel täglich bewundern, und allabendlich ähnliche Sonnenuntergänge genießen. Sie erinnern mich an früher: Eigentlich geschah es in Afrika, vor genau 20 Jahren, dieses Erlebnis. Ich war mit Anna am Baringo-See, einem Süßwassersee im ostafrikanischen Graben. Wir besuchten einen Schlangenpark, und eine Speikobra stand auf Blau und hatte Annas blaue Augen um Haaresbreite verfehlt. Wir waren froh, ein löcheriges Motorboot zu besteigen, das war doch weniger gefährlich. Zähnefletschende Krokodile machten einen gierigen Eindruck, ich war ja selber schuld, dass ich Reptilien s0 gut mochte.
So tuckerten wir in einigen Minuten auf die zauberhafte Baringo-Insel hinüber. Ein schmaler Fußpfad führte uns steil an auf die Felskuppe, wo wir bei einer der berühmten Old English Ladies, wie sie in Kenya allenthalben als Relikte der Kolonialzeit anzutreffen waren, den Welcome Tea schlürften. Es war eine kleine Gruppe von zauberhaften Pavillons gedeckt mit Palmblättern, die den Empfangstresen des Inselhotels bildeten. Wie im Märchen, aber wahr ! Wir gaben unsere roten Büchlein ab und schrieben uns ein, denn Ordnung muss sein, selbst auf der Insel.
Dann wurden wir zu unserem „Zimmer“ geführt: es war ein Doppelzelt, so hoch dass man stehen konnte drin, mit einem dicken Lederboden. Im hinteren Teil des Zeltes standen zwei Feldbetten mit Wolldecken, denn auch in den Tropen kann es mal kalte Nächte geben. Im Vorzelt warteten ein Tischchen und zwei Stühle auf uns. Ein guter Geist brachte noch Wasser, und nach ausgiebiger Toilette saßen wir an dem kleinen Tisch und genossen die Aussicht. Sie war prächtiger als Worte, die sie beschreiben könnten: vor uns stürzte eine Felswand tief hinunter direkt in den See, es hätte zu einem Turmspringen gereicht. Auf der weiten Wasserfläche des Baringo-Sees trieben primitive Holzboote, und Fischer warfen ihre Netze. Besonders die Stimmung während des Sonnenuntergangs werde ich nie mehr vergessen. Der ganze See schien in Gold getaucht, rundum waren seine Ufer samtschwarz gesäumt, über uns war ein noch größeres Zelt in feurigem Rot und Gold gespannt, und zum ganzen Augen- lieferte das gefiederte Orchester den passenden Ohrenschmaus.
Leider störte ein Boy unser Erlebnis des Genießens, als er uns zum Nachtessen holte. Der Speisesaal lag unter offenem Sternenhimmel, das Essen mit dem Papaya wein schien ebenfalls aus der Kolonialzeit zu stammen und mundete herrlich. Spätabends verzogen wir uns in unser Zelt. Wir ließen die Wolldecken liegen und wollten lieber in den eigenen Schlafsäcken schlafen, die man tunlichst immer zuerst ausschüttle, wie auch Schuhe und Socken. Eine Gewohnheit, die sich bezahlt machen kann. Die heutige Überraschung fiel allerdings nicht aus Schlafsäcken, Schuhen oder Socken, nein, die handgroße Vogelspinne entdeckte ich dank meinem Scheinwerfer direkt auf dem Zeltboden. Ich verhalf dem garstigen Tier dann zu einem Turmsprung in den Baringo-See.
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