Joseph bringt gerade mal 10 auf den Zähler, und der 15jährige André arbeitet doch schon wie ein Großer. Für je 2 Gourdes Tageslohn (ca. 5 Cents) arbeiten sie von Sonnenauf- bis Sonnenuntergang, während die erwachsenen Arbeiter die Baustelle um 16 Uhr verlassen und das Zehn- oder Zwanzigfache „verdienen“. Kinder sind eben „Lehrlinge ohne Lehrausweis“, und werden vom Bauherrn ausgenützt. Das bisschen Geld müssen sie nach Hause bringen und den Eltern abgeben, für „Kost und Logis“, sonst gibt es Schläge. So massiv, dass Joseph einmal erheblich verletzt und verbeult das Aufsehen der Nachbarschaft so sehr erregte, dass eine aufgebrachte Dame die Schlägereltern anzeigen wollte.
Seit 2003 gibt es ja eine spezielle Polizeieinheit für solche Fälle. Nach heftigen Diskussionen verzichtete man auf die Anzeige, da man die Rache der Eltern fürchtete. Die wären imstande gewesen, ihr eigenes Kind zu töten.
Man schätzt, dass mehr als 200.000 Kinder in Haiti ihre Eltern allein durch den AIDS-Virus verloren haben und sich nun als Waisenkinder alleine durchschlagen müssen. Die Verkauften und Vermieteten, die Heimatlosen und Ausgestoßenen, die Ausgesetzten und Waisen schuften überhaupt umsonst. Ab 15 müssten sie bezahlt werden, so steht es im Gesetz oder in den Sternen. Arbeitgeber bevorzugen deshalb Jüngere und entlassen die Kinder mit 15 Jahren, was zu einer hohen Anzahl von Cocorats ( Straßenkindern ) führt. Diese obdachlosen Kinder haben kein Zuhause mehr und müssen für sich selbst sorgen. Sie erbetteln Geld, Lebensmittel und Zigaretten von Passanten, Putzen im Vorübergehen Autoscheiben, verkaufen Wasser oder Kleinigkeiten, stehlen und rauben bisweilen, prostituieren sich und fallen in die Netze der Drogendealer. Sie verbringen ihren Tag auf der Straße und schlafen auch dort.
Sie zählen nicht zu den 22% der 10 bis 14 Jährigen die als Sklaven arbeiten müssen, nach Schätzungen der Vereinten Nationen sind das 300’000 Kinder: als Hausangestellte, in der Landwirtschaft, auf dem Bau, in kleinen Familienbetrieben, als Straßenverkäufer und Bettler, als Prostituierte, als Soldaten: ca. 1000 Kinder arbeiten als Boten, Spione oder Soldaten für bewaffnete Ganovenbanden und Diebeshorden in Port Au Prince. Sie sind ein leichtes Opfer für Menschenhändler und Schlepperbanden; 2500 bis 3000 davon werden in die Dominikanische Republik verschleppt.
Die UNICEF hat Hilfsprogramme gestartet, beispielsweise um in ländlichen Regionen und Slum vierteln Schulen zu errichten. Nach den regulären Schulstunden finden für Hausmädchen, Waisen und andere benachteiligte Kinder Kurse statt. Die Organisation stellt ihnen Schulmaterial zur Verfügung und sorgt dafür, dass die Kinder in der Schule eine warme Mahlzeit bekommen. Auch private Hilfswerke kämpfen gegen die Missstände, so wie Aktiv-gegen-kinderarbeit und andere. Sie können aber nicht mehr leisten als „Tropfen auf den heißen Stein“, zu groß ist die Unmenge der verbleibenden Probleme.
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