Haiti: Sie fischten noch nicht im Trüben

Taino-Fischer

Datum: 28. Juli 2010
Uhrzeit: 14:23 Uhr
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Autor: Otto Hegnauer
Sprachkurs Spanisch (Südamerika)

Fische und anderes Meeresgetier sind eines der ältesten Nahrungsmittel des Menschen, auch eines der gesündesten. Schon seit den ältesten Indianern leben normale Menschen davon. Doch ich war schon immer stolz, nicht normal zu sein. Mir gehen sowohl Geruch als auch Geschmack auf die Nerven, und schon auf meinen frühesten Abenteuer-und Entdeckungsreisen hatte ich gegen Schluckauf- und Brechreize zu kämpfen, wenn nur ein Occasionsöl einmal für Fisch & Co. verwendet worden war, ein Kochgefäß nicht sauber geputzt oder auch nur eine ferne Vorstellung in meinem wohl verdorbenen Hirn aufstieg.

Für mich gehören Fische in ein natürlich bepflanztes Aquarium und nicht in den Kochtopf, vielleicht ein Rudiment aus meiner Kindheit, hatte ich doch immer Freude an lebenden Wasserwundern und war lange ein begeisterter Erbauer grandioser „Inhouse-Wasserlandschaften“. Hier in Haiti, das sich die Karibikinsel Hispaniola mit der Dominikanischen Republik teilt, liebte ich jahrelang ein Bananengebäck, das von Straßenhändlern verkauft wird, die „Bananes Frîtes“. Bis eines Tages so ein Ding nach Fisch roch, vermutlich in einer Friteuse gebadet, in der vorher ein Fisch geröstet und das Öl nochmals verwendet wurde. Den Geschmack vergesse ich nie mehr, und nie mehr hatte ich seither Lust auf Bananes Frîtes, meine frühere Leibdelikatesse.

Gerechtigkeitshalber muss ich zugeben, dass ich durchaus kein Vegetarier bin. In den meisten Ländern könnte man das glauben, aber in einem guten Schweizer oder Franzosen-Restaurant, zu dem ich ( berechtigt oder unberechtigt ) Vertrauen habe, bestelle ich durchaus gerne mal eine Portion rohes Rindfleisch, ein Beefsteak Tartare mit köstlichen Gewürzen, und esse das meistens auch auf. Essen ist eben Psychologie, Präsentation, und häufig auch Farbkomposition.

Natürlich gibt es auch ohne Fisch, Sushi, Lambi, Muscheln, Wasserschnecken, Hummer, Krabben und wie die alle heißen, noch genug Delikatessen, auch für mich. Die Steinzeitfischer waren da bestimmt weniger sensibel. Da steigen mir Studentenerlebnisse aus Sardinien wieder auf. Die Lagunenfischer fischten dort mit Christusdorn- und Knochenangeln, zu Fuß, mittels eingestoßener Stöcke als Angelträger oder aus Binsenbooten, die wegen Fäulnis jedes Jahr neu erstellt werden mussten.

Ein berühmter Schriftsteller schrieb damals, „wie herrlich, dass es so was noch gibt“. Die Situation war eher herrisch als herrlich, aber der romantische Autor merkte den Unterschied nicht. Denn es waren die Herren, die Großgrundbesitzer, die den Fischern gewisse Netze, alle Metallangeln oder richtige Holzboote, wie auch einen Schulbesuch der Kinder verboten, auch das Betreten der ganzen Fischereigebiete für alle Fremden war untersagt. Die Herren, die sich als Besitzer des Meeres wähnten, wollten die Armut bewusst aufrecht erhalten, um von den Armen besser zu profitieren. Diese mussten nach jedem Fischgang an einem vorbestimmten Platz landen, und ein rechter Teil der Beute wurde ihnen abgenommen.

Gemäß gefundener Gemälde und Zeichnungen war auch für die Sawaraken- und Taino-Indianer die Fischerei, und was dazu gehört, der Hauptbroterwerb. Ich muss da immer wieder an das denken, was wir seinerzeit in der Primarschule über unsere Pfahlbauer lernten. Das Sarawakenleben scheint sehr ähnlich abgelaufen zu sein. Zwar keine Binsenboote, aber Einbäume werden auch heute noch hergestellt und verwendet, für Einzelpersonen oder ganze Gruppen. Wie beim Peligre-See-, wo Taxi- und „Gesellschafts-Einbäume“ die Personentransporte in die Dörfer jenseits des Sees auch für ganze Gruppen in solchen Dingern vornehmen.

Stets sind die Vehikel aus einem einzigen Baumstamm ausgehöhlt, zuerst mit Feuergluten, dann mit Nachschnitzen verfeinert. Selbst die Sitzbänke sind nie eingesetzt, sondern aus demselben Stück Holz herausgearbeitet. Nur die allfälligen Paddel, Stoßstangen, eben Fischerei- und allfällige weitere Werkzeuge wurden separat hergestellt. Bei uns würde das zum Blickfang für jedes Museum.

Fischerboote und Fische in Haiti sind heute gefordert, wie alles in diesem Land. Die Einbäume werden wohl zu Fotomotiven und Touristenattraktionen, ähnlich den von Verkehrsvereinen bezahlten Geißhirten und Alphornbläsern in Schweizer Höhenkurorten. Oder sie werden zu Event- und Abenteuer-Vehikeln oder zu Besucher-Taxis, man weiß es nicht. Doch für all das fehlen noch die Touristen. Auch die Fische müssen sich umgewöhnen, entweder als Schnorchler-Ziele oder Überlebens-Akrobaten, in einem Land, wo man selbst Trinkwasser zu Dollarpreisen kaufen muss. Wir werden sehen. Sicher ist nur eines: so bleiben wird es nicht.

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Die exklusive Haiti-Kolumne im latina press Nachrichtenportal von Otto ‚Swissfot‘ Hegnauer. Der ehemalige Lehrer lebt seit mehreren Jahrzehnten auf Haiti und berichtet exklusiv von seinem täglichen Leben auf der Insel Hispaniola.

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