Seinerzeit im Militär sprach man vom „Putz“, der hatte eine ganz besondere Stellung, eine moderne Art Hofnarr. Immer mit der Bürste zur Hand, oft auch mit bloßer Hand, salbte er Füße und Stiefel der Gesalbten, und da lief es meist ganz ungezwungen hin und her. Unförmlich und familiär, lässig und unbefangen war der Putz eine Art Medium außerhalb der Medien. „Putzig“ war ja auch ein Begriff für „drollig, possierlich, spaßig“ und gehört somit unbedingt auf die Liste meiner Schmunzelgeschichten.
Der militärisch-gestrenge Fußfetischismus, vorläufig pardon, Herr Oberst, erschöpft sich nicht in seiner lächerlich-possenhaften, schnurrig-übergeschnappten, ergötzlich-närrischen und ulkig-neckischen Bedeutung, sondern gipfelt einmal mehr in der Ausflucht auf politische Schlagworte wie Globalisierung, die immer an allem Schuld sind. Wenn ich das preußisch-schweizerische Offiziersgehabe mit dem hiesigen (= haitischen) Rangverhalten vergleiche, bleibt kein großer Unterschied.
Blitzblanke Schuhe sind ein MUSS, wenn man sich außerhalb der eigenen Wände bewegt, und Sonntagmorgen kommt ein Putz und poliert alle Schuhe von Großen und Kindern auf Hochglanz, die meinen inbegriffen. Auch werktags ist der Putz stets um die Ecke, wenn’s aus dem Haus geht, runter zur Bank, zur Borschaft, oder zum Doktorhaus. Auch unterwegs ist das Schuhputzen Mode. Alle paar Meter sprechen Dich die Putze an, klopfen mit ihren Bürsten an die Kisten, zeigen Dir wie Du den Schuh aufzustellen hast, reiben rundum wie wenn da Töne herausspringen würden, und beginnen von vorn. Wozu sich gegen die Sitten stellen? Kostet ja nur wenige Rappen, und die Putze müssen auch was „verdienen“. Und Schuhe müssen glänzen und scheinen, und den Träger scheinen lassen, er sei ein Gesalbter.
Unsere Redewendung „Auf Schusters Rappen“ ist übrigens eine Anspielung auf die rappenschwarzen Schuhe, die der Putz so präpariert hat. Endgültig schmunzeln musste ich aber erst, als so ein Putz auch das edle Bargefüss Melissas zu salben und zu bürsten begann. Wie wenn das auch nur schwarze Schuhe wären. Wir waren so verdutzt sprachlos, dass wir zu fragen vergaßen, was das sei, ob er wohl übersehen hätte, dass Melissa gar keine Schuhe trug. Fußfetischismus kennt keine Grenzen. Ist das nicht Globalisierung?