Alles hat einen Anfang und ein Ende, dazwischen liegt irgendwo der gute Platz. Die Spannung liegt zwischen Minus und Plus, alles lässt sich als Glockenkurve darstellen, als Gaußsche Glockenkurve. Aber nicht alle richten sich danach ein. Viele wollen nur die Steile hinauf, immer höher, doch mit einem mal rutschen sie blitzschnell zurück.
Wer will schon in der Einöde bleiben, dort wo es nichts gibt. Die Menschen wollen in die Stadt, ins Zentrum, weil da etwas läuft, es gibt Jobs, es gibt Geld, Läden, Schulen, Spitäler, alles was man braucht. Es gibt Markt, und die Preise steigen, es geht die Glockenkurve aufwärts, aber einmal ist genug. Aber wenn es zu viel Stadt gibt, kehrt alles wieder um. Es gibt teure Schulen und Wohnungen, verpestete Luft, verstopfte Straßen, Verkehrsunfälle, Verbrechen. Die Stadt muss entlastet werden, andernorts aufgebaut, solang man noch kann.
Soeben hat die UNO, die zuständige Organisation heißt FNUAP und sitzt auch in Haiti, das Ergebnis einer Umfrage veröffentlicht. Sie bestätigt die Rückkehr von 80% der Flüchtlinge in ihre ursprünglichen Wohnzonen in der Stadt. Nur 20% der Menschen die nach dem Erdbeben die Prinzenstadt verlassen haben sind bis jetzt in der Provinz geblieben. Die Zahlen der UNO zeigen auch, dass 1,3 Millionen Geschädigte nach dem Schreckensbeben in die Provinz zu Verwandten und Freunden geflohen waren, vor allem in den Regionen von Artibonite und in Grand Anse, aber ein Großteil in ihr ursprüngliches Wohngebiet in der Stadt zurückgekehrt sind.
Der Chef der FNUAP in Haiti, Igor Bosc, lädt alle Behörden ein, von den Verlagerungen Kenntnis zu nehmen und ihre Politik, Planung, humanitäre und technische Einrichtung anzupassen. Die FNUAP betrachtet die 20% in den Provinzen Verbliebenen allerdings immer noch als vorübergehende Migration. Die andern haben sich zumeist in Lagern möglichst nahe ihrer ursprünglichen Wohnstellen gruppiert. Igor Bosc weist auf die Notwendigkeit hin, den Flüchtlingen den Zugang zu den Basisleistungen zu ermöglichen. Sie beklagen vor allem den Mangel an Arbeit und Schulmöglichkeiten. Gemäß der Umfrage ist der Schulbesuch der 5 bis 24jährigen drastisch zurückgegangen.
Schon vor dem Beben hatten die Behörden immer wieder die Dezentralisation und Umsiedlung in regionale Zentren empfohlen. Dort bestehen meist bessere Schul- und Arbeitsmöglichkeiten als in der Hauptstadt, vor allem heute. Subventionen an Schulen und andere Einrichtungen in der Stadt wurden gestrichen und an solche auf dem Land umgeleitet. Dann kam das Erdbeben und zerstörte die ganze Stadt. Jetzt empfiehlt auch die FNUAP die Dezentralisation der öffentlichen Dienste und der humanitären Hilfe, um die Familien zu ermutigen, in die Provinzstädte umzusiedeln. Auf diese Weise würde es möglich sein, städtische Zentren außerhalb der Hauptstadt zu generieren.
Um zu unserem Glockenvergleich zurückzukehren, müssen in den Außenständen neue Glocken geschaffen werden. Die es ermöglichen, an der Seite der Glockenkurven aufzusteigen und oben die flache Kuppe zu erreichen, wo noch viele sonnige Plätze zu finden sind. Weitere Dezentralisation gefragt!
Ist natürlich ein Aufmerksamkeit erweckendes Detail das in einem Land das zum grössten Teil in Trümmern liegt über Arbeitmangel geklagt wird ..