Seit Wochen und Monaten regnete es so viel es geht, jeden Tag, selten minutenkurz, selten den ganzen Tag, meist in der Mitte:
Schönwettermorgen, Nachmittags- und Abendregen, dann klare Nacht und morgens wieder schön. So konnte es wenigstens trocknen. Man durfte darauf gehen. Kein Tag ohne Regen. Für die Obdachlosen in den Zelten und sogar draußen war das fürchterlich, viele siedelten um an die Berghänge, wo es Dutzende neuer Straßen und Zeltstädte gibt, aber es gab auch etliche Erdrutsche mit Toten und neu eingestürzten Häusern, die noch bestanden hatten. Auch viele Verkehrsunfälle, teils mit busweise Todesopfern. Und zunehmend Kranken.
Aber jetzt: schon der vierte Tag ohne Regen, hier auf etwa 1000 m, höher oben dauert es etwas länger. Doch nun schaut es auch dort oben trocken aus, und wir haben den ersten, klaren Schönwettertag, wolkenfrei, wie er im Bilderbuch steht. Wahrscheinlich den ersten Tag im ganzen Jahr. Das sind ja immerhin gute Signale, die Haitianer haben auch Aufsteller dringend nötig. Auch die Lagerplätze werden ja jetzt zu trocknen beginnen.
Aber bereits ist die Cholera ausgebrochen, vorerst im Artibonite, dort sind schon hunderte gestorben, tausende erkrankt, die Spitäler wieder überfüllt. Patientenbetten wurden zum Teil auf den Straßen eingerichtet. Polizei und Blauhelme sind dort, sorgen dafür, dass nur noch Choleraverdächtige hingelangen, es wird sauberes Wasser, Serum, Tabletten verteilt. Ich wollte sobald es aufhört zu regnen auch in den Artibonite fahren, ein Föteli vom Palast der 365 Türen knipsen, denn der Artikel ist schon lange bereit. Aber das hat jetzt auch keine Eile mehr, und ich habe keine Lust auf Cholera.
Am traurigsten sind die Boulevardmedien. Kümmerten sie sich monatelang nicht um das Leid und Elend der Menschen in Haiti – jetzt sind diese Trauergestalten wieder vereint: Panik, Notstand, Todeswellen-sind nur einige der Schlagzeilen von diesen billigen Massenblättern.
Vor ein paar Tagen habe ich von traurigen Wahrheiten um die Schulen berichtet. Aufgrund eigener Umfragen werden diese mehr oder weniger nur zur Hälfte besucht. Sie erinnern sich, dass vor einigen Tagen Lehrer und Schüler demonstrierten, weil sie endlich die Schule besuchen möchten aber nicht können. Schulräume und Schulzelte sind von Flüchtlingen besiedelt. Die übereifrige Polizei wollte die Demonstranten vertreiben und hat einen Lehrer erschossen. Gezielt in den Kopf. Jetzt demonstrieren die Lehrer, leider häufig mit Wutausbrüchen und Steinen. Gebessert hat nichts.
So haben die Präsidentschaftskandidaten ein Thema bei ihren Reden, der Wahlkampf hat voll begonnen. Gestern habe ich mich zu einer der täglichen Wahlveranstaltungen begeben. Ich werde mich kurz vor der Wahl am 28.November damit melden. Vorläufig zum Erlebnis von gestern. Ich muss zum Glück nicht über polizeiliches Missverhältnis und Kopfschüsse berichten, im Gegenteil: die Gesetzeshüter haben sich vorbildlich verhalten, die durch Raras (Musik- und Tanzumzüge) besetzten Straßen gesperrt oder zu Einbahnstraßen umfunktioniert, Sie haben mir Parkierungshilfe geleistet und Sicherheitsgeleit gegeben. Der schiesswütige Polizist und Lehrermörder aber habe das Weite gesucht und habe sich jetzt auch vor seinen Kollegen versteckt…
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