Panama: Naturschutz auf zivilgesellschaftlicher und politischer Ebene

Datum: 03. November 2010
Uhrzeit: 05:57 Uhr
Leserecho: 1 Kommentar
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Als ich letzte Woche in Panama einflog, erwartete mich ein märchenhafter Sonnenaufgang. Zwischen Nacht und Tag flogen wir über den Wellen hinweg, kurz vor der Küste rissen die Wolken auf und dahinter warf die Sonne ein blass gelbes Licht auf das erste Stück Festland. Kurz hinter dem Strand liegt die Stadt, dazwischen rote Erde, feuchttropische Vegetation und ein rotbrauner Fluss, der sich langsam dahin schlängelt.

Auf der ersten Fahrt durch die Stadt war von der Stimmung nichts mehr übrig. Die Bucht der Stadt, die man vom halbherzig futuristisch gestalteten, Wolkenkratzer durchzogenen Zentrum aus sieht, ist Tag und Nacht von Frachtbooten aller Größen besetzt. Die „grüne Zone“ der Stadt besteht mehr oder weniger aus einem Stadtpark an einem Hügel und einer etwa 3 Meter breiten Grünfläche an der Küstenlinie.

Der Panamakanal ist die Haupteinnahmequelle des Landes, jedoch mit einem hohen Preis verbunden: nämlich der Luftverschmutzung, die die 27-stündige Odissey durch den engen Kanal bedingt.

Dazu kommt die starke Präsenz ausländischer Investoren, die das Baugewerbe antreiben, was wiederum zu Naturzerstörungen im Inneren des Landes und vor allem an der Küste führt. In Panama City selbst werden momentan drei künstliche Inseln aufgeschüttet und miteinander verbunden, sodass eine große Baufläche ensteht. Für noch mehr Luxuswohnungen und Bürogebäude.

Das Stadtbild ist im Gegensatz zu dem, was die Landschaft zu bieten hat, schlichtweg erschreckend. Die Müllabfuhr wurde kürzlich privatisiert, tritt jedoch bis Anfang des nächsten Jahres nicht in Funktion. Somit hat man die Wahl entweder seinen Müll selbst zur städtischen Müllhalde zu bringen, oder von einem der dadurch entstandenen nicht registrierten Müllabfuhren beseitigen zu lassen. Offensichtlich ist die Abfallentsorgung in der Stadt zum echten Problem geworden.

In diesem Zusammenhang arbeitet Jean. Vor einigen Jahren hat er „Reciclemos por Panama“ gegründet, eine Organisation, die Bildungsprogramme an Schulen und Recycling-Aktionstage in den verschiedenen Bezirken der Stadt zur Sensibilisierung der Müllwiederverwendung durchführt. So ist Jean mit gerade mal 25 Jahren einer der Ansprechpartner in seinem Land im Thema Recyling. Jean hat Chemie studiert und arbeitet, um sich finanziell über Wasser zu halten, in der kleinen Familienapotheke, obwohl er damit lieber nichts zu tun hätte.

Während des Studiums kam sein Wandel: „Ich habe gelernt, wie die Chemie unsere Welt bestimmt, und wie viel Schaden man an der Mutter Natur damit anrichten kann. Als ich ein studienbegleitendes Praktikum in einer großen Getränkefabrik machte, und jeden Tag die tausenden Liter Trinkwasser mit schädlichen Zutaten versetzt und in Plasteflaschen abgefüllt sehen musste wurde mir klar, dass ich mit meinem Wissen etwas Positives machen muss.“

Jean und einige Kommilitonen bekamen die Chance, den ersten „Nationalkongress für Jugend und Wissenschaft“ an ihrer Universität zu organisieren, wo sich viele junge Protagonisten austauschen konnten. Im Jahr darauf hatte die Universität eine eigene Werkstatt für die Wiederherstellung von Papier, dass im Rahmen der Uni benutzt wurde. Dann kam die Idee einer eigenen Organisation, und so gründeten er  und seine Mitstudenten eine Gruppe in Facebook, die bald soviele Mitglieder hatte, dass die vier die erste große Versammlung einzurufen.

Die einzigen Teilnehmer, die erschienen, waren er und seine Freunde. Und da fiel die Entscheidung, nicht einfach nur Treffen zu organisieren, sondern selbst in der Gemeinde aktiv zu werden. So organisierten sie die erste „Recy-Rallye“. Die Idee ist simpel, aber schafft es, nicht nur zu informieren, sondern die Partizipation und das Gemeinschaftsgefühl zu fördern: je mehr Müll eine Kommune sammeln und auf der „Recy-Rallye“ zusammentragen kann, desto mehr Punkte werden vergeben und am Ende des Jahres wird die Siegerkommune gekürt.

Seit zwei Jahren ist das Projekt in Funktion. Und dazu kamen Bildungsprojekte an Schulen, trotz praktisch null Unterstützung seitens der Regierung. Jean erzählt: „Wir sind uns ziemlich schnell bewusst geworden, dass es keine institutionelle Förderung für Jugendinitiativen im Land gibt. Und dass, obwohl das Thema Umwelt sehr wohl eine Rolle spielt…Das Land gibt 4 Millionen Dollar im Jahr für die soziale Reinsertion von Jugendlichen aus, ohne in die Fundamente zu investieren, damit diese Jugendlichen nicht dahin landen, so etwas zu tun.“

Es fehlt an der Artikulation zwischen Regierung, Unternehmen, Umweltorganisationen und jugendlichen Aktivisten, die die Zukunft für das Land darstellen, und wesentlich bewusster das Thema Umwelt wahrnehmen, als die Vorgängergenerationen. Die internationalen Naturschutz-Bewegungen unterstützen sie dabei, wie zum Beispiel „Movement Water and Youth International“.

Und durch die stark an der ersten Welt orientierte Gesellschaft, durch die regen Handelsbeziehungen mit Übersee, ist Recycling wie eine Mode in Panama eingeschlagen. Die internationalen NGOs vor Ort intensivieren wiederum durch ihre Aktivitäten die Debatte für den Naturschutz auf zivilgesellschaftlicher und politischer Ebene. Jedoch sind noch viele Schritte zu tun, um einen erkennbaren Weg für den politischen Durchbruch und das gesellschaftliche Bewusstsein, die eine wirklich nachhaltige Wirtschaft für das Land möglich machen, zu erreichen.

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Katrin Wilkniss kennt die Problematik der gerechten Verteilung von Ressourcen für soziale Initiativen in Lateinamerika. Mit ihrer Kolumne will sie denjenigen eine Stimme geben, die dort arbeiten, wo die Gelder der Entwicklungshilfe ankommen.

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  1. 1
    Chris

    Die Reaktion auf die Einladung über Facebook sagt doch schon alles.

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