Hier in Haiti verdienen die Hühner eine eigene Geschichte. Aber vorerst muss ich noch eine aus der Schweiz loswerden, auch eine Hühnergeschichte. Die Geschichte beginnt aber mit Polen und mit der Schweiz.
Ich war dort Gründer des Jugend-Tierschutzes, und bis heute dessen Vorstands-Mitglied, der Verein wird im Sommer 2010. Deshalb war ich vor gegen 30 Jahren mit zu einer Sitzung eingeladen, die in der Führungs-Etage des Migros-Hochhauses stattfand, für mich kleinen Migros-Anfänger natürlich ein besonderes Erlebnis. Im Büro des Präsidenten, Pierre Arnold, bekam ich interessante Informationen und Diskussionen zwischen den Teilnehmern mit. Dies waren neben meinem höchsten Boss der Präsident des Schweizer Tierschutzes, sein Zentralsekretär und einige Tierärzte. Ich war der einzige „normale“ Teilnehmer, ohne Doktorwürden und mehr. Es ging um etwas Wichtiges, nämlich die Hühnertransporte aus Polen, die nach Informationen der Tierschutzvertreter auf hühnerunwürdige Weise erfolgten. Da erwartete man von einer Migros doch eine respektvollere Behandlung. Zu den Informationen selbst konnte ich nichts beitragen, denn ich war ja nur ein subalterner Kaffeezuträger bei den Erlauchten. Doch ich kann die überlegene Haltung meines höchsten Chefs nie vergessen, wie er in seinem trockenen Humor, auf die in freiem Feld lebenden Hühner und die unterdrückten Menschen in Polen anspielte, verkündete: „Meine Herren, in Polen geht es den Hühnern besser als ihren Bauern !“.
Auch hier in Haiti leben die Hühner auf freiem Feld, die Bauern scheinen kaum zu kennen dass sie Eier legen die man essen könnte. In der Stadt werden Hühner und ihre Produkte ohnehin aus den weniger tierfreundlichen Batterien in der Dominikanischen Republik importiert. denn man glaubt was aus dem Ausland käme sei besser. Die Hühner sind hier so frei wie in Polen, ihre Bauern bestimmt noch mehr. Haiti-Hühner gebärden sich noch wie wenn sie Vögel wären, sie zeigen dass sie auch flattern können und besetzen abends ihre Schlafbäume. Das sonst bekannte Gegacker tritt höchstens auf, wenn ein feindliches Raubtier in der Gegend umherschleicht, das auf Poulet steht.
Viele Hähne sind als Kampfhähne vorgesehen, solange sie leben gehören sie auch zu den Erlauchten. Denn wie werden gehätschelt, gestreichelt wie Katzen, und ständig mitgetragen. Denn sie bringen Geld, viel Geld. Hahnenkämpfe sind hier ganz groß Mode, und sie finden in eigenen Häusern statt, einer Arena, von einer roten Mauer umrundet und umgeben von manchmal ansteigenden Bankreihen, wie das Modell eines Fußballstadions. Die Tiere werden lange auf ihren Auftritt vorbereitet und mit verbundenen Augen an den Schauplatz gebracht. Die Hahnen-Choucrouns, große Rundhütten mit Palmblätter-Kegeldach, wandlos und auf Pfählen stehend, sind zum Bersten voller Zuschauer, die haben Eintritt bezahlt. Dann werden den Hähnen die Augenbinden abgenommen, und die speziell auf „Revierverteidigung“ und Konkurrenzhass getrimmten Tiere stürzen aufeinander los,
Die zwei Hähne werden aufeinander losgelassen. Schmerzlindernde Mittel können den Kampf um bis zu zehn Minuten verlängern. Oft werden die Hähne zusätzlich mit messerscharfen Sporen bewaffnet. Eines der beiden Tiere unterliegt, wenn es nicht mehr kämpft, schwer verletzt ist oder stirbt. Auf den Ausgang des Kampfes wird gewettet. Die Wettgewinne werden anschließend vertrunken, dabei fließt viel Clairin, Nazon und Rhum, manchmal auch noch weiteres Blut. Den Besitzern der Sieger winken ganz schöne Geldsummen.
Hahnenkämpfe wurden schon vor 3000 Jahren in Asien abgehalten und hatten dort zu religiösen Ritualen gehört. Die 2000jährige Hahnenkampfkultur in England wurde erst 1848 per Gesetz verboten. In den meisten „entwickelten“ Staaten sind die Kämpfe aus Gründen des Tierschutzes und wegen Wettverboten untersagt. Ich frage mich allerdings, ob die Hühner-Massenhaltung in Batterien der „entwickelten“ Staaten incl. Dominikanische Republik tierfreundlicher ist als die Duldung traditioneller Hahnenkämpfe. In Haiti wie auch in der Dominikanischen Republik ist der Hahnenkampf eine uralte und populäre „Sportart“,
Hühner und auch Ziegen werden hier dutzendweise an gebrochenen Beinen rundum an Lastwagen aufgehängt und so noch „frisch“ zur erlösenden Schlachtbank transportiert. Sie sind jetzt keine Tiere mehr, sondern zur Ware geworden. Tierschutz ist unbekannt, das Wort oder gar einen Verein oder ein Gesetz gibt es nicht. Ich habe vor bald zwanzig Jahren dafür gekämpft, musste aber einsehen, dass der Tierschutzgedanken in diesem Land keine Chance hat, wo selbst Menschenrechte mit Füssen getreten werden.
Der Welt-Tierschutz hatte zwar eine siebenstellige Dollarsumme für die Karibik zur Verfügung, meine Haiti-Sensibilisierungs-Vorschläge wurden jedoch abgelehnt und die Erstellung eines Hundefriedhofs sowie die Finanzierung von Tierambulanzen auf „besseren“ Karibikinseln vorgezogen. Ich bin nicht unbedingt ein Armeefreund, und schon gar keiner der amerikanischen. Aber ich muss den GI’s gerechtigkeitshalber doch ein Kränzchen winden: sie waren es – und nicht der Welt-Tierschutz-Bund, und sie waren die einzige Instanz – die nach der US-Invasion von 1994 mit amerikanischer Konsequenz und militärischer Härte diese Art der Hühner- und Ziegentransporte abstellte. Leider nicht nachhaltig, denn heute kommen diese schrecklichen Transportmethoden wieder, und niemand wehrt sich dagegen.
Hühnertransporte scheint ein heißes Thema. In der Schweiz, und in Haiti. Obwohl wohl schon ein beachtlicher gradueller Unterschied zwischen den beiden Hühner-Transportmethoden besteht, beschäftigen sich In der Schweiz erlauchte Persönlichkeiten, CEOs und Politiker mit der Thematik, hier in Haiti jedoch niemand.
Leider kein Kommentar vorhanden!