Soll das ein Tabu-Thema sein? Soll man schweigen zu einem Thema das schließlich jede(n) von uns angeht? Wenn Sie meine Geschichte „neben dem Tisch“ finden, so rate ich Ihnen, nicht weiter zu lesen. Für mich ist das allerdings eine Schmunzelgeschichte.
Bei uns in Europa gibt es für Männlein und Weiblein sauber getrennte Anlagen in Bahnhöfen und Restaurants; überdies stehen solche an einschlägigen Stellen, etwa Parks und Autobahn-Raststätten, oft mit stündlich nachgeführten Putz-Statistiken und Musik gegen die Langeweile. Oft ausgeschmückt mit geistreichen Sprüchen und Skizzen. Im schlimmsten Fall bieten sich auch Büsche, Telefonstangen und Mauerecken an für solche Geschäfte, die Hunde zeigen genau wie. Und Hunde-Anstößigkeiten kann man in der Schweiz vermeiden, indem man ein Schäufelchen und ein Plastik-Säckchen mitträgt, auch gibt es Hunde-Latrinen und Briefkästen für die Plastik-Säckchen. Profis haben für das Fischen im Trüben Spezialwerkzeuge, damit sie sich nicht bücken müssen, es fehlen nur noch Chirurgen-Masken.
Einst wechselte ich das Flugzeug in New York und musste in einem flughafennahen Hotel übernachten. Ich hatte meinen damals noch lebenden Max bei mir, einen stattlichen, deutschen Schäfer-Rüden. Es war ein Kunststück, ein Hotel mit Hunde-Erlaubnis zu finden. Nur das teuerste Haus bot den Luxus eines klimatisierten Parterre-Zimmers für Hundebesitzer, mit Möglichkeit eine Tür ins Freie zu öffnen, auf eine relativ enge, nach außen abgeschottete Rasenfläche hinaus, extra geschaffen für solche Zwecke. Einen Spaziergang mit Max auf öffentlichem Grund brach ich rasch wieder ab, nachdem ich die Tafeln mit Bussetarifen für Pipi & Co. am Trottoirrand gesehen hatte: 500 USD Busse waren da angedroht. Da war mir und Max unser kostspieliges Parterre-Zimmer mit dem Ausgang aufs kleine Wiesli lieber.
So freute ich mich erst recht auf die Freiheit in Haiti. Hier gibt es im ganzen Land keine einzige Hundetoilette, und auch keine einzige öffentliche Latrine für Zweibeiner, bis auf die Ausnahme im obigen Bild. Sie steht seit einigen Monaten neben der Passstraße von Léogâne nach Jacmel, zuoberst auf der Passhöhe, und dürfte ein Zeichen einer ersten hygienischen Erholung sein, die sich in diesem Land anbahnt.
Was hierzulande üblich oder tabu ist, hat allerdings mit Hygiene wenig zu tun. Eher mit Vorurteilen, Aberglauben und einfach „andere Länder – andere Sitten“. Früher habe ich mich mehrmals aufgeregt, wenn Erwachsene ihr Pipi gegen meine Autoräder spritzten. Inzwischen habe ich gelernt, dass das hier Anstand sei und man niemals eine Mauer benetzen dürfe. Man behauptet in der Hitze stiegen die Undüfte auf und brächten die ganze Mauer zum Stinken; man muss sie mindestens waschen in einem solchen Fall, mit Pech gar neu verputzen. Es wurden so öfters schon Menschen geschlagen, und haitianische Schläge können tödlich sein. Ich als „Granmoun“ ( Alter ) habe zum Glück einen gewissen Toleranzvorschuss, Narrenfreiheit sagt man bei uns. Dennoch pflegt bei privaten Mauerzielen ein Mitarbeiter für mich die Erlaubnis einzuholen, was in der Regel kostenlos und mit einem Lachen gewährt wird. Nebenbei hört man so die eine oder andere (Pipi-)Geschichte.
Auch wird empfohlen, hölzerne Masten auszulassen, da diese unter Strom stehen könnten mit verheerenden Folgen. Fehlt nur noch eine Geschichte zu den Bäumen, die habe ich bis heute noch nicht erlebt. Vielleicht muss man Baumstämme auslassen im Hinblick auf hier wohnende Teufel und Ungeister?
Wenn wir schon bei den Pipi-Geschichten sind, will ich doch noch ein Erlebnis aus der ersten Bauzeit meines Hauses erzählen. Die Air France von Paris-Point-à-Pitre landete nachts, und spätnachts erreichten wir Gressier. Hilfreiche Geister aus der Nachbarschaft bemühten sich um unser umfangreiches Gepäck und trugen es ins Haus. Im spärlichen Licht der Batterielampen beobachtete ich, dass ein Nachbar namens Fritz meinen Aktenkoffer hineintrug, und auf der andern Seite offenbar gleich wieder hinaus. Denn tags darauf bemerkte ich dass er fehlte. Zum Glück hatte ich eine größere Summe für den Weiterbau nicht im Aktenkoffer mitgeführt, wie das der Langfinger wohl erhoffte, sondern in verschiedenen Körperverstecken verteilt.
Ich suchte und wurde fündig. In einer Bauruine hinter dem Haus fand ich den offenen Koffer teils samt ausgeschüttetem Inhalt, es waren Dokumente und Klimbim, einzig der elektrische Rasierapparat fehlte. Rundum standen Flaschen gefüllt mit Pipi, ich weiß nicht was der Spitzbube damit wollte. Ob er einfach einen Drang los werden und die Mauern nicht besudeln wollte, oder ob Magie oder Voudou-Zauber oder weiß nicht was dahinter steckte. Trotz des geringen Schadens alarmierte ich die Polizei, denn ich hatte in der Schweiz eine Diebstahlversicherung abgeschlossen, die im Schadenfall ein Polizeiprotokoll verlangte. Im Protokoll der Beamten stand, der verstreute Inhalt sei „inmitten von Flaschen mit einer übel riechenden Flüssigkeit“ gefunden worden.
Eigentlich egal, aber die Diebstahlversicherung hätte auch den Verlust einer größeren Summe Bargeld gedeckt, und es wäre ein Leichtes gewesen, einen solchen vorzulügen. Weil ich ehrlich bin, verzichtete ich darauf und kam so immerhin zu einem neuen Rasierapparat. Auch wenn ich schon ein Waffenschmuggler war ein Versicherungsbetrüger war ich nie!
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