Haiti: Nur Obama kann unsere Probleme lösen

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Datum: 26. Dezember 2010
Uhrzeit: 15:33 Uhr
Leserecho: 1 Kommentar
Autor: Otto Hegnauer
Sprachkurs Spanisch (Südamerika)

Der grauschwarz schleichende Weihnachtsnebel verbirgt nicht nur Cholera und andere Todesgespenster, sondern durchaus auch liebliche Scherzeinlagen- sogar üppig klingende. Unüberhörbar schütten Riesen-Lautsprecher den neuen Kompa stundenlang über die Zeltlager und Quartierlautsprecher, ein prachtvoller, lüpfiger neuer Kompa, der bombensicher das Zeug zum Welthit hat. Zum Musikhit, denn dort zählt eben die Musik und nicht der Text, den verstehen die meisten ja doch nicht. Hauptsache man kann ihn schunkeln und tanzen.

Dass die gebeutelten Menschen aus Trümmern und Zelten ihren Stimmungen und Ideen stets über die herrliche Musik Luft machen, ist eine Binsenwahrheit. Politik im Volk läuft immer über Musik. Die musikalische Weihnachts-Überraschung war ein neuer Hit, ein wundervoller Kompa in der lüpfigen Manier – nicht etwa einer von Micky alias „Martelli Präsident“, der habe der Musik abgesagt, sondern – und jetzt halten Sie sich fest – „Jetzt wollen wir Obama, nur Obama kann unsere Probleme lösen!“ Ist ja ganz nett, aber was meint wohl der selbst dazu?

Jetzt wird unten in den Lagern und Quartieren die Botschaft wohl von Jung und Alt getanzt: „Wir wollen zu Obama, Obama ist jetzt unser Boss. Jetzt ist es Obama der regiert. Gehen wir singen und tanzen mit Obama.“ Schmunzeleinlage einer herrlich knospenden Volksseele. Die hat gleich neue Lösungen bereit, manchmal bühnenreife. Und ich komm nicht dazu, endlich eine Phantasiegeschichte zu schreiben, denn das Leben überholt diesen Wunschtraum jeden Tag durch eine Wirklichkeit, die alle möglichen Phantasien übertrifft.

Das ist doch ein Verdikt, dass die einheimischen Führer jegliches Volksvertrauen verloren haben, dass sich die Massen jetzt sogar in einen fremden Schoss hingeben würden, sogar in den des bisher verhassten Schreckgespenstes der Amerikaner. Viele sprechen offen, sie möchten eine Annektion, oder ein Protektorat, selbst von der UNO. Man hat den Glauben an die Fähigkeit einheimischer Führer verloren, selbst an den noch immer ungewählten neuen Präsidenten.

Dabei nimmt der Pöbel nicht zur Kenntnis, dass auch Obama gerade gestolpert ist- in zwei Jahren nichts mehr zu sagen hat. Soeben habe ich in einem deutschen Blatt gelesen: „Nachdem Obama durch seine Wahlschlappe zur lahmen Ente mutiert ist, wird US-Notenbankchef Ben Bernanke alles tun, um die US-Wirtschaft wieder auf Trab zu bringen. Er wird in den nächsten Monaten wieder tonnenweise US-Dollars auf die Finanzmärkte abwerfen.“ Und die Preise werden noch schneller explodieren und das arme Volk zerstören.

Dass die Amerikaner gerne annektieren, was etwas bringt, zeigt ja der Fall der östlichen Nachbarinsel Puerto Rico. Onkel Sam selber bezeichnet sie als amerikanische Provinz, was in der Folge auf fast allen Karten reproduziert wird. Selbst Googles, Wikipedias & Co. bezeichnen das Land als amerikanischen Freistaat oder US Außengebiet, aber die Wahrheit ist, dass in sämtlichen Abstimmungen die Zugehörigkeit zu den USA eindeutig abgelehnt wurde. Bei Haiti steht diese Annektion nie ernsthaft in Frage, obwohl auch hier schon Emissäre des großen Onkels umhergeschnüffelt haben, was es gegebenenfalls dennoch zu verdienen gäbe ( Royale Dahomey). Die Amerikaner annektieren nicht, was nur Probleme und Kosten brächte.

Die Stimmung politisiert sich, selbst an Weihnachten. Wäre die Armee nicht abgeschafft, so wäre ein Staatsstreich überfällig.

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Die exklusive Haiti-Kolumne im latina press Nachrichtenportal von Otto ‚Swissfot‘ Hegnauer. Der ehemalige Lehrer lebt seit mehreren Jahrzehnten auf Haiti und berichtet exklusiv von seinem täglichen Leben auf der Insel Hispaniola.

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  1. 1
    spanishjack

    was passiert den eigentlich mit den spendengeldern für haiti nach dem erdbeben.wer organisiert das und wer verwaltet das.sie sehnen sich nach
    einem starken mann dem sie vertrauen können.ist ja auch verständlich.
    oder sind sie jetzt auch wieder um diese finanzhilfe betrogen worden?

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