Es war fast genau vor einem Jahr. In der Kolumne „Terra Bus führte uns an die Landesgrenze und ließ uns stehen“ habe ich damals erzählt, wie die Busgesellschaft Terra-Bus das Geld für die Fahrscheine nach der Prinzenstadt samt diversen Gebühren abkassierte, für all die Passagiere des großen Busses immerhin tausende von Euros, uns an die haitianische Grenze führte und uns bei einbrechender Nacht ohne Hilfe oder Beratung stehen ließ. Ich habe mich in jenem Artikel derart aufgeregt, dass ich den berühmten Ferienstaat als neu gewordenen Schurkenstaat bezeichnete. Dies gleichzeitig während das Tourismusministerium unvermindert Reklame laufen ließ und immer noch lässt. Gegen die Gaunereien aber haben sie nichts unternommen.
Auch die Touris die haben nichts unternommen. Sie hätten ja wenigstens meine Kolumne lesen und derartige Reisen boykottieren können, wie wir es mit Terra-Bus gemacht haben. Wir sind seitdem mit der haitianischen Coachline gefahren, die die Passagiere nicht am Straßenrand sitzen lässt, sondern ihnen wenigstens nach Möglichkeit hilft. Diesmal mussten wir erleben, dass auch die anderen Buslinien vor Wegelagerern und Straßenräubern nicht gefeit sind.
Wiederum hatten wir Tickets nach Port-au-Prince in der Tasche und staunten nicht schlecht, als wir einige Kilometer vor der Grenze einmal mehr auf offener Strecke angehalten und raus komplimentiert wurden. Der Teufel wurde wieder der Chauffeurgewerkschaft von Jimani zugeschoben, die offenbar schon wieder die Grenze für Touristen blockierte, diesmal aber auch für dominikanische Carunternehmen. Man sah von weitem nur die Barrikaden, die knallgelben, blockierten Cars von Caribe Tours, die giftig grünen von Terra-Bus und die schneeweißen von CapitalCoach Lines, und lamentierende Gruppen von Chauffeuren und „Gewerkschaftern“, ich möchte lieber sagen Strolchen und Strauchdieben.
Denn außerhalb meines Carfensters konnte ich gerade eine bühnenreife Wegelagerer-Szene beobachten: Unser Carchauffeur lamentierte aufgeregt mit einem „Gewerkschafter“, zog schließlich ein dickeres Bündel Banknoten hervor – wahrscheinlich die ganze Reisekasse – und händigte dem Straßenräuber ein dünneres Bündel davon aus. Der war offenbar nicht zufrieden, und versuchte wie ein Geier den Rest, also das dickere Bündel, zu packen, unter Handgemenge rannten sie sich nach und gerieten dabei außerhalb meines Gesichtsfeldes.
Offenbar reichte die ergatterte, unbekannte Summe doch, dass die Gangstergewerkschafter da draußen den Car freigaben, und wir fuhren weiter. Wenigstens ein paar hundert Meter. Der Chauffeur hatte vergeblich bezahlt, Wegelagerer und Gauner haben eben kein Gewissen. Denn es gab wieder neue Barrikaden, neue Wegelagerer und neue Diskussionen. Ich fürchtete schon, es werde auch heute wieder Nacht wie auch schon, und beklagte mich über die dominikanische Polizei, deren Aufgabe doch die Freihaltung der Straßen wäre, und die durch Abwesenheit glänzte. So glaubten wir, denn in diesem Moment kam Bewegung in die Szene, Polizeikräfte erschienen tatsächlich und räumten die Straße in Sekunden und mit solcher Gewalt, dass einige anwesende Journalisten zu fliegen kamen und sich die Cars innert Sekunden in Bewegung setzten. OK, diesmal kein Schurkenstaat, die Staatsehre war für einmal gerettet, und mit rund drei Stunden Verspätung rollten wir zur Grenze. Leider war der Tumult so heftig, dass mir kein „Foto des Jahres“ gelang.
Wir waren froh, an der Grenze wieder den Blauhelmen gegenüberzustehen. Die sind zwar stets schwer bewaffnet, aber sie erpressen nie Geld und tragen stets ein freundliches Lachen zu Gesicht. Das gelegentliche Reiseziel DomRep werden wir nicht aufgeben. Aber wir überlegen uns gut, das nächstemal den Weg unter die Flügel statt unter die Räder zu nehmen. Auch fand ich bestätigt, was ich schon oft geschrieben habe: die Vorzeichen haben sich umgekehrt, und heute sind Ferien in Haiti viel sicherer als in der „Ferienrepublik“. Doch wer’s nicht glauben will, ist ja selber schuld…
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