Was niemand geglaubt hätte, ist eingetroffen. Duvalier hat sich dem Gericht gestellt. Dieses hat ihn mehrere Stunden lang angehört. Am Abend verließ er das Gerichtsgebäude wieder, als freier Mann. Er muss sich jedoch zur Verfügung der Justiz halten.
Draußen wurde indessen die Gefolgsmenge immer grösser. Wie in Haiti, dem Inselnachbarn der Dominikanischen Republik üblich, schwanken die Angaben der Medien zwischen einigen Dutzend und einigen Zehntausend. Sie skandierten Sprüche wie „Freiheit für Duvalier, Gefängnis für Préval“. Man hört Aussagen wie: Seit der Flucht Duvaliers sei Haiti nur noch schmutziger und schlimmer geworden. Tatsächlich erlebte das Land, abgesehen von den Menschenrechtsverletzungen des Gräuelregimes, unter der Tyrannenfuchtel des Schreckensbabys die einzige Prosperation seiner Geschichte- mit Fabriken, Bau von Hochdruck-Speicherwerken, einigen Eisenbahnen, Hotels, beginnendem Tourismus, Anlegeplätzen von Kreuzfahrtschiffen und mehr. Auch Ordnung und Sicherheit waren gewährleistet- ohne fremde Truppen.
Ganz anders denken die UNO, verschiedene nationale und Menschenrechtsorganisationen, die zum Teil Empörung zeigen über die bisher glimpfliche Behandlung des Ex-Tyrannen, der es wiederum meisterhaft verstanden hat, die Stimmung von Volksteilen kippen zu lassen. Die Pro-Duvalier-Demonstrationen verliefen wenigstens bisher friedlich und ohne die üblichen Gewaltausbrüche. Man darf gespannt sein, was die ausländische Presse dazu orakelt. Dass das Volk die ewige Lügen- und Vetterliwirtschaft satt hat, ist schon lange bekannt und war auch schon Gegenstand meiner Zeilen. Etwa wenn der neue Kompa-Schlager „Obama, Obama“ aus Riesenlautsprechern über den Quartieren ausgeschüttet wird, oder wenn Sprayersprüche wie „Wanted Obama“ oder „We need Obama“ von den Mauern prangen. Die wissen offenbar noch nicht, dass Obama bereits im anderen Amerika engagiert ist und Haiti bisher nicht dazu gehört.
Aber der gegenwärtigen Wahlmaschinerie sind wohl Weicheier lieber. Sie hat ja auch das Schwergewicht Wyclef Jean vorzeitig von der Wahl ausgeschlossen. Aber im Moment spricht niemand mehr von den Wahlen. Das Interesse der Medien hat sich jetzt einen besseren Fraß geholt. Mit Baby Doc ist unerwartet eine ganz neue Alternative aufgetaucht, und das Volk schreit nach dem Baby. Zweifellos eine andere starke Hand, aber auch außer Kurs. Tausende sehnen sich offenbar mehr nach der Ordnung und Ruhe und würden sogar die Menschenrechtsverletzungen in Kauf nehmen. Ich höre die Meinung unten auf der Straße, es sind alles Junge, die da diskutieren und die die duvalieristische Realität nicht mehr erlebten, den Friedfertigen geschehe ja nichts, und man hätte wenigstens Arbeit und müsse sich halt an die Regeln halten.
Aber Baby winkt gnädigst von der Hotelterrasse herab, und sein Winken fällt unten auf fruchtbaren Boden. Er soll nun doch überlegen, wie er sich noch in die laufende Wahl einfädeln könnte, dem schlauen Fuchs wäre alles zuzutrauen. Erst wenn die Air France Ende Woche abgehoben hat, glaube ich jedenfalls, dass das Märchen vorderhand beendet ist. Sein Kollege in Südafrika wollte ihm das nachmachen und auch nach Haiti „helfen“ kommen, aber Aristide hatte sich vergeblich um die Erneuerung seines Reisepasses bemüht, die Regierung habe dies abgelehnt. Er sei als Haïtibürger zwar zur Einreise berechtigt, aber diese sei ihm verboten.
Diese erstaunlichen Entwicklungen platzen mitten zwischen das Wahltheater hinein, das immer noch nicht vom Fleck kommt. Und die Cholera- Opferzahlen steigen täglich weiter; sie haben gestern188.967 Angesteckte und 3.838 Tote erreicht.
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