In derselben Zeit erklärte Michel Martelly in einem Interview mit der ausländischen Presse, wenn er Präsident würde, würde er nackt auf dem Dach des Nationalpalastes auftreten. Noch nie hatte man ein solches Gaukelspiel- und Marketingsschauspiel in den haitischen Wahlanalen erlebt, wie 2010-11. Dank der Mitschuld einer gefallenen Presse hat es Martelly erreicht, sein anderes Ego in den Wandschränken einzuschließen, das die abstoßende Gewohnheit hatte, seine Pobacken ein wenig überall vorzuzeigen und sich den Obszönitäten hinzugeben.
Sweet Micky versucht seine moralische und politische Jungfräulichkeit wiederherzustellen. Er behauptet sogar, die Bestechung auf Haiti bekämpfen zu wollen. Wirklich? Der letzte Schick der Kleidungen schreit ab dem Bildschirm, und von der aseptisch aufbereiteten Rede hat der elektronische Schock des Wahnsinns eingesetzt. Kollegen und Kolleginnen der Presse drängen sich naiv um Micky, der die Sensation der Stunde geworden ist. Plötzlich ist das Szenentier eine fotogene, telegene und hygienische Packung geworden. Ein nach Maß geschnittener Kandidat; einer haitischen sich auflösenden Gesellschaft, die eine neue Dekade des Verfalls einleitet. Noch nie hat man eine solche Metamorphose erlebt. Die Illusion war vollkommen. Die internationale Presse hat nur Feuer gesehen. Profil im Time Magazine, Interview bei Radio Kanada, Gespräche in Kopf zu Kopf und zuhinterst am Schwanz. Mit dem größten Ernst der Welt sprach Sweet Micky über sein „politisches Programm.“ Noch eben Volontär gegen die Nationale Unsicherheit verspricht er heute den Frieden und morgen die Sicherheit. Ah! Die Hölle ist mit guten Vorsätzen gepflastert. Aber was bringt es, Herrn Martelly anzuklagen?
Es genügt nicht, einiges Vertrauen durch Youtube.com zu schaffen. Er gesteht, seine Macoute-Karte im Alter von 15 Jahren erhalten zu haben. Er wurde von der Militärakademie wegen schlechter Führung ausgestoßen. Während seines Aufenthaltes in den Vereinigten Staaten in den achtziger Jahren rauchte er täglich tausend Crackdollar. Dann arbeitete er als Maurer und gebärdete sich schließlich als Ingenieur auf Haiti. Dank der Präsidentenwahl sind Zeugenaussagen über finanzielle Veruntreuungen in den Vereinigten Staaten, unglaubliche Betrügereien, Perversionen und obszöne Gemeinheiten attraktives Medienfutter geworden. Das Stillschweigen der Presse auf Haiti ist angesichts solcher Skandale nicht zu begreifen.
In der Tat scheinen sehr wenige Journalisten die Verantwortung übernehmen zu wollen, die Absurditäten anzuzeigen. Aus Anerkennung? Aus Mitschuld? Aus Angst? Aus Defätismus? Jean Dominique muss sich in seinem Grab umdrehen. Ein Viertel des Jahrhunderts nach dem Abgang der duvalieristischen Diktatur würde man meinen es gäbe auf Haiti noch einen Code der Stille. Wäre es eine Form von Vorsicht, Selbstzensur, Opportunismus? Man muss sagen mit dem Klima der Unsicherheit und der Ungestraftheit, einige Kandidaten sind Duvaliers par Excellence. Mit der Macht zu entführen, zu quälen und anzuzünden. Ein neues Martyrium für ein Land, das unheilbar auf dem Weg der Katastrophen engagiert ist, ist im Werden. Die nationale Rettung und die Entstehung einer wirklichen Demokratie werden ohne eine neue Liberalisierung des Wortes nie möglich sein.
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