Ist von «Beuteltieren» die Rede, denken wohl die meisten von uns zuerst an Australien und an Kängurus. Dies ist aber eine zu enge Sicht der Dinge. Denn zum einen sind die Beutelsäuger – so der zoologisch korrekte Begriff – eine sehr formenreiche Tiersippe. Hinsichtlich der Körpergrösse reicht das Spektrum von der Nördlichen Flachkopfbeutelmaus (Planigale ingrami), welche nur 4,5 Gramm wiegt, bis zum Roten Riesenkänguru (Macropus rufus), welches bis 85 Kilogramm auf die Waage bringt. Und auch ökologisch gesehen ist das Spektrum überaus breit: Es reicht von nachtaktiven Regenwaldbewohnern bis hin zu tagaktiven Wüstenbewohnern bzw. von pflanzenessenden Kletterbeutlern bis hin zu bodenlebenden Raubbeutlern, ja umfasst mit dem Schwimmbeutler (Chironectes minimus) sogar eine an das Wasserleben angepasste Form.
Zum anderen kommen die Beutelsäuger nicht allein im australischen Raum vor. Die Mehrzahl von ihnen, rund 200 Arten, lebt zwar in Australien, auf Neuguinea, auf den Molukken und auf den Salomonen. Die restlichen ungefähr 70 Arten, also immerhin gut 25 Prozent, sind jedoch im amerikanischen Raum zu Hause. Die Mittelamerikanische Wollbeutelratte (Caluromys derbianus), von der auf diesen Seiten berichtet werden soll, ist eine dieser neuweltlichen Beutelsäugerarten.
Nordamerikanische Wurzeln
Die ältesten Beutelsäugerfossilien, die wir kennen, sind rund 75 Millionen Jahre alt. Sie stammen aus der Oberkreidezeit Nordamerikas und sind die Überreste von Wesen, welche den heutigen amerikanischen Beutelratten (Familie Didelphidae) schon sehr ähnlich waren. Die ältesten Beutelsäugerfossilien, welche bei Ausgrabungen in Australien zum Vorschein kamen, sind hingegen «nur» 23 Millionen Jahre alt. Dies legt die Vermutung nahe, dass sich die Beutelsäuger ursprünglich in der Neuen Welt herausgebildet hatten und sich hernach, irgendwann in grauer Vorzeit, von dort via Antarktika nach Australien ausbreiteten. Dies ist darum denkbar, weil die drei Erdteile bis vor rund 45 Millionen Jahren miteinander verbunden waren.
In Australien vermochten sich die Beutelsäuger während vieler Jahrmillionen ungehindert zu entwickeln, denn der abgeschiedene Kontinent wurde von den «moderneren» Plazentasäugern, welche fast überall sonst auf der Welt im Wettstreit um ökologische Nischen die Oberhand gewannen, nie erreicht. In Australien konnte sich darum eine sehr formenreiche Beutelsäugerfauna entfalten, welche zeitweilig, als das australische Klima feuchter war, selbst nashorngrosse Geschöpfe wie das Diprotodon optatum umfasste.
Auch in Südamerika entwickelten sich einst stattliche Beutelsäuger, darunter Beutegreifer wie der jaguarartige Säbelzahnbeutler Thylacosmilus atrox. Diese starben aber vor ungefähr 3,5 Millionen Jahren aus, nachdem sich eine Landbrücke zwischen Nord- und Südamerika gebildet hatte und von Norden her einwandernde Plazentasäuger die meisten Beutelsäuger aus ihren ökologischen Nischen verdrängten.
3 Wollbeutelratten
Die Klasse der Säugetiere (Mammalia) wird aufgrund der Weise, wie sich die Embryonalentwicklung abspielt, in drei – sehr verschieden grosse – Unterklassen gegliedert: die Eierlegenden Säuger (Prototheria) mit 3 Arten, die Beutelsäuger (Metatheria) mit ungefähr 270 Arten und die Plazentasäuger (Eutheria) mit über 4300 Arten. Bis vor kurzem wurden sämtliche Mitglieder der Unterklasse der Beutelsäuger in einer einzigen Ordnung (Marsupialia) zusammengefasst. Heute werden sie – hauptsächlich aufgrund vergleichender molekularbiologischer Untersuchungen des Erbguts (DNS-Analysen) – von den Fachleuten in mehrere Ordnungen unterteilt. Allerdings haben sich die Experten noch nicht auf eine allgemein gültige neue Beutelsäugersystematik einigen können, weshalb wir hier auf nähere Angaben verzichten wollen.
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