Unser weitgereister Freund Darek sagte zu mir: Wenn Du die Kubaner verstehen willst, dann musst Du nachts zum Malecon gehen. Ich geh mit Dir, wir kaufen eine Flasche Havana Club Anejo Blanco, eine Flasche Limonade und vom Zimmer nehmen wir Plastikbecher mit. Auf geht´s, Jubel!” Mir war die sagenhafte, vibrierende Lebendigkeit am und um den Malecon schon tagsüber aufgefallen, vor allem zwischen Rampa und Habana Vieja. Da waren ständig Leute, machten Pause, wenn sie vom Einkaufen kamen, trafen sich mit Freunden, lungerten herum, machten Musik. Ich dachte bei meinem ersten Besuch: Gut, da ist tagsüber viel los, aber nachts? Was kann da schon sein?
Alles. Und noch mehr. Herrscht tagsüber Leben am Malecon, explodiert es in der Nacht, breitet sich aus wie ein Sternspritzer in Zeitlupe und ist überwältigend. Untertags, wenn Flut ist und die Jugendlichen von der Schule kommen, verwandelt sich der Malecon zu einem Vergnügungspark, dessen größte Attraktion die Menschen selbst sind. Eine ungeheure Agilität wirkt in allem; Lebensfreude ist in solchen Momenten nicht an “haben oder nicht haben” gekoppelt sondern entsteht aus sich selbst heraus. Reinaldo Arenas war sicher nicht der erste kubanische Schriftsteller, der in seinen Texten immer wieder seine Liebe zum Meer thematisierte. Das Meer kann verschlingen und gierig sein, es kann töten, aber es kann auch furchtbar viel Spaß machen …
… und dies ist nur die Tagseite des Malecon. Es gibt auch eine dunkle Seite, aber so ist das eben bei der Liebe: Ich liebe nicht nur das schlagende, rote Herz, sondern auch den schwarzen Schatten, den es auf den Grund der Seele wirft.
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