Meine Freunde und ich mittendrin in diesem tänzelnden Geschiebe und Gedränge; wir haben uns inzwischen einen Platz auf der hüfthohen Mauer gesichert, etwa hundert Meter weiter links von der Rampa; denn dort ist uns einfach zuviel los. Hier wimmelt es von jungen Schwulen und Machos, Transvestiten und Transsexuellen. Alessandro erklärt mir, dass vor allem das Wirken von Raul Castros Tochter viel zur Akzeptanz Schwuler auf Kuba beigetragen hatte, diese Akzeptanz aber auch dazu führte, dass vor allem Transvestiten zunehmend aggressiver und gewalttätiger agieren würden, weil sie sich unantastbar fühlten. Er sagt auch, dass es um das Cafe Bim Bom immer wieder zu heftigen Prügeleien zwischen Transvestiten käme und die Polizei dort vor allem in den Nächten von Freitag auf Samstag und von Samstag auf Sonntag groß anrücken würde.
Alessandro schenkt sich eine heftige Mischung Rum mit Limonade in den Plastikbecher, schaut zum schwarzen Horizont hinaus und dann höher zu den vom Mond beleuchteten Wolken: “Manche”, sagt er grinsend, “vertragen einfach die Freiheit nicht!”. Wir setzen uns auf den Malecon und schlagen mit den Fersen einen Takt auf die Steinmauer. Wir grinsen. Neben mir fragt ein etwa Zwanzigjähriger auf Englisch nach Feuer. Ich deute auf Alessandro, der gibt dem Jungen Feuer, und wir beginnen eine Plauderei. Einfach so. Weil es Dienstagnacht ist, weil die Luft warm ist, der Mond die Wolken in beleuchtete Zuckerwatte verwandelt und uns einfach nach Plaudern ist.
Der Junge heißt Yelandris und studiert Ökonomie. Er redet mit Händen und Füßen, sein Englisch ist beinahe akzentfrei und sehr gut verständlich. Er fragt mich, wie wir Europäer über Kuba denken. Wir berühren uns häufig beim Reden, packen uns an den Oberarmen, legen einander die Hände auf die Schultern, zum Schluss spielt er mit meinem rechten Ohrläppchen, was mich dann doch etwas aus dem Konzept bringt. Er bemerkt wie ich stocke und sagt mit einem schiefen, unwiderstehlichen Grinsen: “Ich begreife gerne die Menschen. Und du?”
Ich lächle auch und streiche mit meinem Daumen über seine Wange. Wir reden weiter. Über das Leben und den Hunger nach dem Unmöglichen, über Reisen und Trinken, über Sex und Liebe und die Muskulatur, die man braucht und sich antrainiert, um in einem Land, das aus Blut und Gelächter erschaffen wurde, sein Stück Lebensglück aus der harten Scholle zu harken.
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