Ich sagte es schön des öfteren. Jeden Tag geschehen hier Ereignisse, die sonst nirgendwo möglich wären auf dieser Welt. Jeden Tag, manchmal sind es sogar zwei. Ganz ohne die vielen, von denen wir gar nie Kenntnis erhalten. Gestern waren es zwei, die Gerüchte-Gerichte-Geschichte habe ich deshalb zwei Tage aufgespart. Meine aufmerksamen Leser erinnern sich, gestern randalierte der Mob, weil ein Bankdirektor sein Versprechen nicht wahr machen konnte, seinen Angestellten erdbebenzerstörte Häuser zu ersetzen. Er wurde vor Vertragsunterzeichnung erschossen, sogar Grosszügigkeit wird in Haïti mit dem Tode bestraft.
Und gleichentags herrschte oben in den Schwarzen Bergen, im Quartier rund um unser Haus, eine verschüchterte Stimmung, angstschlotternd, zentnerschwer. Man konnte von weitem spüren, dass allerhand los war. Die Menschen standen in Gruppen im Freien, flüsterten sich hinter vorgehaltener Hand etwas zu, scheinbar nicht gerade einen Aufsteller.
Auch ich musste zweimal hinhören, einmal wegen der miserablen Flüsterakustik hinter der vorgehaltenen Hand, und dann wegen des Inhalts der unglaublichen Schreckensgeschichte. Es fiel mir schon auf, die Leere des Platzes hinter dem Haus, keine singenden und schnatternden Frauen, keine kreischenden und spielenden Kinder, keine fibrierenden Handtrommeln und keine Anzeichen einer Verstorbenen. Nur die beiden Peristyle (Vaudou-Tempel) mit den typischen farbigen Fahnen.
Trotzdem habe ich aus dem Geflüster verstanden, der Houngan (Vaudou-Zauberer) habe wieder einen Menschen gegessen, ein achtzehnjähriges Mädchen. Es sei vor drei Tagen in seine Hütte gestiegen, in einen grossen Holzstuhl abgesessen und dort gestorben. Dann hätte der Magier-Priester das Mädchen zerlegt und gekocht, und jetzt werde es gegessen. Das hätte er von Zeit zu Zeit eben nötig.
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