Allgemeine und aktuelle Lage in Haiti

Datum: 26. Juni 2011
Uhrzeit: 07:31 Uhr
Leserecho: 0 Kommentare
Autor: Otto Hegnauer
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Allgemein bewegt sich nicht viel. Das Erdbeben von Freitagnachmittag, das auch in der Dominikanischen Republik zu spüren war, hatte schätzungsweise die Stärke 4, da man 3 noch nicht spürt und bei 6 schon Häuser einstürzen. Ich sass auf dem Bett und schaute auf meinen Bildschirm, wo mir mein Schweizer Freund Andreas eben seine Ferien-Dias aus der hintersten Türkei vorführte und wir über die (fast) verschwundenen Aramäer diskutierten. Ich erzählte ihm, ich hätte noch einen aramäischen Freund, der sitzt in Schaffhausen und wird sich als eifriger Leser meiner Geschichtlein jetzt vielleicht melden.

Aber es geht ja nicht um die aramäischen Erdbeben (die es auch gibt), sondern um die hiesigen. Und wohl zwei Sekunden tanzte das Bett echt haïtianisch und schüttelte mich brenzlig hoch und tief. Natura wollte mir wohl zeigen, wo die Autorität hier sitzt. Ich fragte mein Gegenüber in der Schweiz, ob der Bildschirm bei ihm auch zittere. Aber das war wohl ein Problem des Gedächtnisses, das sich rapid verschlechtert – nicht eines der Natur oder der Technik. Gehört ja auch zu einem Lagebericht.

Zurück zum Erdbeben. Meine Manuskripte hängen ohnehin Tag und Nacht in einem USB-Stick gespeichert an meinem Hals, seit ich wieder in Haïti bin. Mystal stürzte herauf und wollte mich hinausbringen, viel zu spät. Die Leute schrien und stürzten ins Freie, NOCH später. Unten im Haus hatten Gläser und Porzellane gezittert und geklirrt, aber nichts zerbrach oder fiel hinunter.

Hingegen fielen viele Menschen auf der Strasse um, und in den Schulen die Kinder, wie wir später hörten. Aber alles verlief glimpflich, es gab keine Schäden oder Verletzte – eben, „nur“ Stärke 5. Und nur die Telefone liefen heiss, und weibig-männiglich schwatzte und wusste es besser, bis es Abend und alles vorüber war. Mit Erschütterungen muss man leben, besonders in Haïti – das wissen wir inzwischen.

Sonst ist die Lage allgemein recht friedlich, vom andauernden Wertewandel abgesehen. Davon habe ich schon berichtet. Zum Beispiel Hygiene und Sauberkeit, als zwei starke, neue Werte [bisher 5’506 Choleratote, eine unbekannte Zahl von Infizierten … ], Verwilderung und Verwahrlosung, Verlust von geschmackvollen und ansprechenden Gestaltungsmerkmalen und Vergessen von traditionell-kulturell-gesellschaftlichen Geistern zugunsten reiner Zweckmässigkeit in Gebäuden und Siedlungsstrukturen, noch stärker natürlich bei Natur- und Landschaftsschutz – ausgenommen Behebung unmittelbarer Bedrohungen von Erossionsschäden.

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Die exklusive Haiti-Kolumne im latina press Nachrichtenportal von Otto ‚Swissfot‘ Hegnauer. Der ehemalige Lehrer lebt seit mehreren Jahrzehnten auf Haiti und berichtet exklusiv von seinem täglichen Leben auf der Insel Hispaniola.

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