Das Wetter kann in den Tropen sehr rasch umschlagen, und äusserst heftig. Aber in den letzten Tagen und Wochen tat es das nicht. Wie wenn die Welt den Haïtianern Normalität schon gar nicht mehr gönnen möchte, mehren sich die Schlechtredner auffällig, suchen krampfhaft neue Katastrophen. Mit technischen Beweisen wie Wärmebildern ab Satelliten und Hurricane-Jets, die mit Sensoren vollgepackt die atlantischen Wolkengespenster überdonnern. Je weiter weg, desto besser will es die Presse wissen, das MUSS ja so sein. Die Presse berichtet schliesslich das, was die Leser hören wollen. Nur das bringt Auflagen, und Geld. Da herrscht keine Geduld, um auf die nächsten Katastrophen zu warten.
Sturm vor dem Haus, so schreibt die Auslandpresse. Einige Kopierer hatten sogar einen Tropensturm „Erika“ (Emily war den Name) ausgemacht, was eigentlich schon alles über deren Geschmiere aussagt. Nur sieht man nichts davon, wenn man hier wohnt. Keine zerfetzten, verblasenen Zelte, keine Fische die vom Himmel fallen, keine Tote, was ist denn los? Mal wieder zu tief ins Glas geschaut- oder schon wieder falsch übersetzt?? Inzwischen fragen mich Freunde aus entwickelten Ländern auf allen Seiten, wie wir das aushielten, wie es denn sei, derart den Sturmwinden ausgeliefert, oder Emily, oder dem Damokles, oder wem auch immer.
Liebe Freunde, ich kann euch beruhigen. Ich wohne ja oben auf dem Schwarzen Berg, mit einer fantastischen Aussicht – nirgends hat man einen so weiten Horizont – nirgends so weiten, blauen Himmel, kein Wölklein in Sicht. Auch die Windstärken oben auf dem Berg könnten anders sein, hie und da eine angenehme Brise, sonst verhält sich auch der Wind absolut still, da würden selbst Holzkohlesegler stecken bleiben. Die tiefroten Sturmwarnungen der Helfer in Wartestellung sind unglaubwürdige Ausgeburten von Hirnen, die sich seit den letzten Versagern zu lange vorbereitet haben auf das, was endlich geschehen geschehen sollte und ausblieb. Das Volk aber spricht und lacht darüber.
Am Anfang war es das Erdbeben (das war zwar nicht der Anfang), dann kam ein Hurrikan, dann die Cholera, und andere Erdbeben – die das Interesse der Welt wegzogen. Jetzt wäre wohl Haiti wieder mal an der Reihe. Alles wie programmiert, und immer nur für ein paar Tage. „Wie die Presse so übertreibt, interessiert sich halt niemand mehr für Haïti. Also müssen mal wieder Schreckenszenarien ausgepackt werden“, schrieb mir ein Freund aus Brasilien. Wie recht der hat.
Wenn sich die Situation ändert, uns das kann schnell sein, melde ich mich wieder!
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