Und nun ein paar Lebens- oder Liebes-Erinnerungen zum Schmunzeln machen, das ist ja stets das Ziel meiner Geschichten. Zuerst über Verliebtheit die keine war, nach den Regeln, aus Einseitigkeit, ohne Gegenliebe.
Zu meinem Lehrerstudium, es war in den Fünfzigern, gehörten Frankreichaufenthalte, an der Sorbonne oder der Alliance, genau nach Lehrplan, aber Pläne passten seit jeher schlecht zu mir. Ich zog es vor, meine täglichen Lehrstunden in der Cinémathèque Française zu verbringen, die damals im Louvre untergebracht war. Der Papierkram aus Alliance und anderswo konnte mir gestohlen werden. Deshalb spreche ich heute wohl so „gut“ Französisch, dass ich alle zum Schmunzeln bringe. Das ist nicht nur meine heutige Ausrede, das ist auch mein heutiges Motto.
In der Alliance lehrte eine junge Professorin mit langem, wallendem Haar, so betörend, dass ich den Namen vergessen habe. Wie bei Goethe, der schon vor mir rausgefunden hatte, dass Namen Schall und Rauch sind. Wir hatten da eine „Composition“ zu schreiben, und ich war zutiefst erschrocken, als mich die Göttin vor der nächsten Vorlesung fragte, ob sie mein Erzeugnis vorlesen dürfe. Ich beschäftigte mich in der Zeit mit Höhlenforschung, in Frankreich und im Schweizer Hölloch, und so vermischte ich in meiner Arbeit meine Sinneseindrücke der Höhlen- mit denen der Sternenwelt. Als die Dozentin mein Geschreibsel als „Literatur“ hochlobte, FRANZÖSISCHE Literatur, glaubte ich, sie oder ich müssten wohl verrückt sein, und schrieb nie mehr französisch, ging nie mehr zu den Vorlesungen, dafür in die Cinémathèque. Verliebt zu sein ist eines der schönsten Gefühle der Lebewesen, und Gefühle haben doch nur solche. Unerwiderte Verliebtheit gibt es jedoch nicht nur bei Objektliebe. Einseitige Verliebtheit gibt es auch bei Wesen.
In der Cinémathèque, da wurden meist verrückte Filme gezeigt. Täglich ein anderer, und von „Fachleuten“ kommentiert. So konnte man ja auch Französisch lernen. Etwa wie in „Testament d’Orphée“, wo der Maler Jean Cocteau all seine Freunde auftreten liess, natürlich Laienschauspieler, und sich über die Zuschauer lustig machte, die dahinter einen Sinn suchten. Er aber machte sich über den „Esprit cartésien“ lustig, das sass in mir ab. Und ich versuchte später Ähnliches.
In der Cinémathèque, gleich vor mir, sass einmal auch Brigitte Bardot, damals Filmschauspielerin und Sex-Idol der Welt. Nur mit einem groben Sack bekleidet, im Sackboden ein Loch für Hals und Kopf, zwei seitliche Löcher für Schultern und Arme, verbreitete sie eine Stimmung um sich, einen betörenden Duft, in dem man das Gefühl hatte, ins Bodenlose zu versinken, in die bodenlosen Abgründe der Seele. Natürlich war ich blockiert und gehemmt ob so viel Erscheinung dass ich nicht wagte, die Bewunderte anzureden. So flatterten die Falter nur im Bauch herum.
Aber verliebt zu sein in Sachen, das schickt sich wahrlich nicht. Man wird als Objektomane oder wenigstens -philer verschrien, und vor allem männiglich verwechselt Liebe mit Sex. Ich pflege eher von animalischen Aspekten zu sprechen, und ich meine das keinesfalls abwertend. Ich meine das hinsichtlich meiner philogenetischen Überzeugung, wonach sich Leben aus sich heraus entwickelt hat, meistens weiterentwickelt, und das ist emporwertend gemeint. Dichter dürfen sogar in Buchstaben verliebt sein, das Glück von Hermann Hesse lag in einem „ü“ verborgen. Da darf man sich ja auch in eine Geschichte verlieben. Oder in eine Idee, beides kann bei mir durchaus der Fall sein.
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