Meine Frau Rosita, alias „Mama“, weilt zurzeit in Flums und hat uns – eigentlich auf Weihnacht – ein „Fresspäckli“ geschickt. Ihr Bruder Joe, der in Paris lebt und in seine ursprüngliche Heimat in die Ferien kommen wollte, sollte das bringen. Er bekommt jetzt wohl unfreiwillig verlängerte Ferien, aber ist – gemäß einem Telefonanruf – wohlauf. Er hat uns das Weihnachtspaket verspätet gebracht, unmittelbar vor dem Beben, wir waren schon weg, um eine Autoreparatur vorzunehmen. So stellte er das Paket in die offene Autogarage, wo es nach der Apokalypse gefunden und uns überbracht wurde.
Jetzt hat uns Joe nach dem Einsturz der Häuser selber um Nahrungshilfe gebeten. Das Paket hat einen Irrweg gemacht, und wir können es nicht mehr zurückbringen, die Straßen sind unpassierbar, von Spalten durchfurcht und von Toten gesäumt. Die Läden sind eingestürzt, die Märkte geplündert. Ich hier leide keinen Hunger, ich schäme mich fast, wie die mich füttern. „Der Weiße muss essen, der darf nicht hungern“, jedes Ablehnen beleidigt meine schwarzen Hüter. Die würden mich verwöhnen, selbst wenn sie verhungern würden. Zum Frühstück Kaffee mit Brot, der ausgesprochensten Mangelware, eigens für mich gespart, ein Spiegelei, Spaghetti, sogar an Tabasco und Ketchup haben sie gedacht, Fruchtsaft, nichts fehlt. Die größte Mangelware ist Wasser, ich bekomme vielleicht 7 dl davon zur Mund- und Körperpflege, das müsse aber reichen solang wir im Freibiwak leben – und für mich sollte dies 10 Tage dauern.
Übrigens steht auf der Ketchup-Flasche groß „Rich and Thick“, glauben denn die, dass ich das werden möchte? „Reich“ – ein Hohn, und „Dick“ – noch weniger !
Die Einheimischen gründeten ein Komitee und nahmen Listen der hiesigen und benachbarten Biwak-Bewohner auf. Die fanden irgendwie den Weg zur UNO, und kaum zwei Stunden später hörte man erstmals einen Automotor. Ein UN-Fahrzeug schnurrte zur „Brücke“, dem Endpunkt der befahrbaren Piste. Von weit oben habe ich zugesehen, wie die Menschen zur Brücke strömten: sie erhielten Mais, Reis und Öl für ein paar Tage, dann kam wieder so eine Lieferung. Ein schiesswütiger Pistolenheld wurde gleich verhaftet. Man darf doch nicht immer nur meckern, muss auch mal was Gutes sehen, sie hat blitzschnell gefunzt, die Hungerhilfe.
Photo ©: Otto Hegnauer/latina-press
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