Die Deutsche Bundespost hat eine Briefmarke zu „Alma Zombie“ herausgegeben, die eine Vodou-Kultstätte zeigt (ich pflege französisch „Vaudou“ zu schreiben). Fast zeitgleich beginnt eine bemerkenswerte Ausstellung. Da können derartige Kultstätten und Artefakte vom 8. Oktober 2011- 29. April 2012 im Übersee-Museum Bremen in Natura bewundert werden. Die Ausstellung „Vodou – Kunst und Kult aus Haïti“ von Marianne Lehmann wird nämlich zum letztenmal in Europa gezeigt.
Die 350 einzigartigen Objekte wurden schon mit grossem Erfolg in Genf, Amsterdam, Göteborg, Berlin und Stockholm ausgestellt. Götter, Geister und Geheimgesellschaften geben einen verstohlenen Einblick in die magische Welt des Vodou, eine Welt voller Geheimnisse und Mythen. Für uns sind es faszinierende Objekte der Kunst und Kultur, die man bewundert und geniesst, für die Menschen dort in Haïti ist es ein Stück Leben und Bekenntnis, Kult und Ritual. Vodou ist Staatsreligion in Haïti, mit afrikanischen, christlichen und indianischen Einflüssen.
Das Übersee-Museum geht auf die Bremer Seeschiffahrt zurück und wurde im Jahr 1896 von Kaufleuten und Seefahrern gegründet. Es organisiert interdisziplinäre Ausstellungen, die von den Beziehungen zwischen Mensch und Natur auf den verschiedenen Kontinenten erzählen und globale Zusammenhänge verständlich machen Die Sammlungskombination von Völker-, Handels- und Naturkunde ist in Europa einzigartig und zählt zu den wichtigsten Kultureinrichtungen Deutschlands. Sie wurde wiederholt ausgezeichnet und 2010 als offizielles Projekt der UN-Dekade „Bildung für nachhaltige Entwicklung“ geehrt („Erleben, was die Welt bewegt“).
In dieser Ausstellung kann der Besucher ähnliche Kunst- und Kultobjekte aus der Vaudou-Kultur und -Religion bewundern, wie diesen Altar zu Ehren von „Baron Samedi“, des Herrschers der Friedhöfe, auf der Briefmarke. Baron Samedi ist der Boss aller Götter, der prominenteste Spitzbube in Haïti, ein schlüpfriger Sprücheklopfer, Zigarrenraucher und Rumtrinker, und Alma Zombie ist mein soeben erschienenes Buch über merkwürdige Dinge in Haïti (Alma ist die Bildungsmutter, und Zombies sind die Untoten).
Baron Samedi ist zwar unsichtbar, wird aber auf Gemälden als schwarz gekleideter Mann mit Zylinder, Spazierstock und weissem Bart oder als Skelett dargestellt. Er ist der absolute Herrscher über alle Friedhöfe, der dunkle Totenboss, verheiratet mit der Göttin Maman Brigitte. Ihm gehört der Erstbegrabene jeder Nekropole. Seine Rolle ist es, die Seelen der Verstorbenen vom Grab in die Unterwelt zu begleiten. Er entscheidet über Krankheit und Gesundheit, über Leben und Tod.
Einmal im Jahr, am 31.Oktober, kommen die Gläubigen schon nach Sonnenuntergang auf den Friedhof und wecken ihn mit lautstarkem Getöse durch aufeinandergeschlagene Steine, oder sie schlagen dreimal mit der stumpfen Seite einer Machete gegen ein Grabkreuz aus Stein. Wenn er, aufgeschreckt durch den Radau, erscheint, wenden sich die Frauen inständig an ihn mit ihren Bitten. Sie versprechen, sollte ihre Bitte erhört werden, sich später mit Kupfermünzen, Speisen und Genussmitteln als Opfergaben erkenntlich zu zeigen. Sie werfen ihm Akazienblätter zu und skandieren „Dormi pa`fumé, Baron Samedi !“ was etwa „Schlafe im Wohlduft“ bedeutet.
Die meisten Einheimischen in Haïti sind „Vaudouisants“, so nennen sich die Gläubigen. Wenn sie diese Ausstellung sehen könnten, würden sie wohl verschreckt reagieren ob so viel Luxus und Sauberkeit, Licht und Museumstechnik. Man muss sich vorstellen, dass die ausgestellten Geschöpfe so eigentlich völlig anders wirken. Sie gehörten eigentlich in graue, staubige Mauern und unter Wellblech, in eine getrommelte, gedudelte und schreiende Klangwelt und in spärliches Kerzenlicht oder völlige Finsternis.
Ich möchte sowohl die Reise von KUNST UND KULT AUS HAÏTI als auch die von ALMA ZOMBIE mit der des Königs Odysseus von Ithaka bei der Heimkehr vom Trojanischen Krieg im 8. Jahrhundert vergleichen. Die „Odyssee“ ist zu einem Sinnbild, ja Synonym für lange Irrfahrten geworden, und aus solchen entstehen Kultur. Die „Odyssee“ wurde zu einem der ältesten und einflussreichsten Werke der abendländischen Literatur.
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