Da ich schon 20 Jahre in Haïti lebe, werde ich oft zu Unrecht als Experte bezeichnet. Der war ich nie und will ich nie werden, ich wär mir ein Greuel. Trotzdem sei mir gestattet, einige Meinungen wiederzugeben- es sind meine persönlichen. Ich vermische manchmal gewisse Begriffe, wie Zombies und Vaudou, die innig zusammen gehören, aber nicht das Gleiche bedeuten. Ich möchte das mit Matrioschka vergleichen, denn Vergleiche sind es alle, und möchte dabei so einfach sprechen, dass man mich noch versteht.
Die Alterskollegin und Schweizerin Marianne Lehmann lebt schon 30 Jahre in diesem Land, das sie bis zu ihrer Pensionierung diplomatisch betreute. Ihr Lebenswerk ist das Sammeln von Vaudou-Kultobjekten, für deren Präsentation sie an einem eigenen Museum arbeitet. Leider hat das Land laufend wieder dringendere Probleme zu bewältigen, als das Konservieren der einmaligen Kunst- und Kulturschätze, so dass diese in den letzten Jahren nur im Ausland präsentiert werden konnten- jetzt zum letztenmal. Wir hoffen alle, dass die 350 wertvollen Ausstellungsstücke im Mai nächsten Jahres eine unbeschadete, glückliche Rückreise antreten können und dass der alte Wunschtaum von Frau Lehmann nach einem Museum dort wo es hingehört, bald in Erfüllung gehen kann. Ich bitte jedenfalls alle Leser um Unterstützung dieser grossen Idee.
Der Anlass meiner Schreibe ist natürlich die Vaudou-Ausstellung,, die heute unter dem Namen KUNST UND KULT AUS HAÏTI beginnt. Vom 8. Oktober 2011- 29. April 2012 können im Übersee-Museum Bremen „vaudouisanistische“ Kultstätten und Artefakte bewundert werden. Götter, Geister und Geheimgesellschaften geben sich ein Stelldichein und bringen uns zum Staunen und Schadern, je nach Veranlagung. Da werden berufenere Kommentatoren herbeiströmen und ihre volks- und völkerkundlichen, religiösen und kunstgeschichtlichen Kommentare (oder wie auch immer) beisteuern. Interessenten versuchen in der Zeit einfach Zeitungen und Internet zu verfolgen.
Also, für die die mich nicht kennen: ich lebe seit 20 Jahren in diesem äusserst interessanten Unland, und vor 2 Jahren hat mir das grauenhafte „Goudou-goudou“ (so nennt man hier das Erdbeben) mein schönes Haus und alles mit zerstört. Ich hätte zwar zurück in die Schweiz kehren können, aber das war mir zu billig – und so habe ich das Angebot meiner ehemaligen Hausangestellten dankbar angenommen, mit ihrer Familie im einfachen Häuschen auf dem Berg über Port-au-Prince zu wohnen.
Hier bin ich zunächst mal am Puls, denn gleich hinter dem Haus führen zwei Houngans (Priester-Zauberer) ihre Peristyle (Vaudou-Kultstätten), und so bekomme ich vieles mit, was eigentlich für Vaudouisants (so nennt man Vaudou-Gläubige) bestimmt wäre, Tag und besonders in stockfinsterer Nacht. Denn da singen die Handtrommeln und erzählen mir ihre Geschichten, die ich auch in meinem Buch „Märchen aus der Vaudou-Trommel“ in Sprache zu fassen versuchte. Unter dem Schlafzimmerfenster zieht hie und da eine Geheimgesellschaft vorbei und trägt in einem auch „Zombie“ genannten Seelenköfferchen eine echte Seele, ein „Zombie“ im Quartier rundum, mit dem passenden „Gesang“, versteht sich.
Leider kein Kommentar vorhanden!