Nachdem die Strassen kaum ein halbes Jahr Ruhe geniessen konnten, beginnt es schon wieder zu gären. Helikopter knattern fast täglich durch die Luft und am Boden werden immer weitere Quartiere abgesperrt, die entstehenden Staus sind kaum mehr zum Aushalten. Mit ein Grund, dass ich vorwiegend „zuhause“ bleibe. Die hitzigen Diskussionen der Jungen auf dem Flachdach vor dem Haus sind interessanter als die Zeitung, die mir hin und da auch auf dem Berg oben zugespielt wird.
Danach waren es soziale Bewegungen, die in der vergangenen Woche auf die Strasse gingen. Wort- und federführend ist vor allem die Gewerkschaft der haïtischen Seminaristen (UNOH). Sie verurteilt die Absicht des Präsidenten und des Chefs der Polizei, soziale Bewegungen im Keime zu ersticken. Die Proteste richten sich vor allem gegen das Verzögern und Verheimlichen des Gesetzes über die Schulkosten, das schon im September 2009, also lange vor dem Erdbeben, verabschiedet worden war. Die Bevölkerung wird aufgefordert, das nicht hinzunehmen und auf die Strasse zu gehen.
UNOH und angeschlossene Gewerkschaften wollen den Staatspräsidenten damit zwingen, das Gesetz über die Schulkosten zu veröffentlichen, das durch das Parlament bereits schon läbgst bewilligt und damit gültig war. Auch Elternvereine und andere Bereiche der Gesellschaft schlossen sich an, um Martelly zu zwingen, mit dem versprochenen Programm der Gratisschulung Ernst zu machen. Damit werden unsere Bemühungen, die Schule „Ecole Soleil sur Montagnes Noires“ (Sonne über den Schwarzen Bergen) in Lakou-mango unterstützt. Mit welchem Erfolg, können wir nur hoffen.
Der erwähnte Verband wie auch andere Gewerkschaften prangern an, dass Staatspräsident und Polizei „alle Formen des Protestes verhindern wollen“. Der Koordinator der Lehrergewerkschaft, Josué Mérilien, hat die Schaffung einer Volksmiliz bekannt gegeben, um die Manifestationen zu schüren. Gemäß Mérilien versuchen die neuen Behörden, die sozialen Bewegungen kriminalisieren. Er liess wissen, dass dieser „schauderhafte Plan“ des Staatschefs nicht realisierbar sei, da das Demonstrationsrecht im Laufe einer langen Geschichte erkämpft worden sei. Vor seinem Abflug zur 66. Versammlung der Vereinten Nationen habe Martelly auf die neulichen Protestbewegungen auf denStraßen reagiert und bekannt gegeben, „die Stunde der Unordnung sei nun vorbei“. Es werden weitere Demonstrationen angekündigt; mit dem Hausfrieden ist es scheinbar vorbei.
Nach anderen Quellen soll der Präsident im Gegenteil veranlasst haben, dass unten in der Stadt Schüler in Bussen gesammelt und zu Schulen geführt werden, in denen sie Gratisunterricht geniessen. Was Wahrheit ist, kann ich wieder einmal nicht sagen, vielleicht auch beides. Jedenfalls politisiert sich die Schule, und man spricht von ihr. Man muss ja immer das Positive sehen.
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