Haiti: In den Trümmern leuchtet Hoffnung

schulhaus

Datum: 23. November 2011
Uhrzeit: 12:12 Uhr
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Autor: Otto Hegnauer
Sprachkurs Spanisch (Südamerika)

Dies ist unsere Trümmerschule. Ihr weisst ja, seit dem Schreckensbeben bin ich ein anderer Mensch. Nicht nur dass ich neue Eigenschaften habe- zum Beispiel bin ich generell äusserst schreckhaft was ich vorher nie war- ich habe Angst vor allem und jedem (ich schlief bei Löwen im Freien, war in Höhlen eingeschlossen und überlebte Flugzeugabstürze). Ich war reich an materiellen Gütern, jetzt bin ich reich an Glücksgütern wie Erinnerungen und Erlebnisse, ich war unverbesserlicher Egoist und vertat alles für mich, jetzt habe ich all mein Geld abgegeben, vor allem den Menschen, die mich betreut und gerettet haben. Alles was mir gehörte gehört jetzt uns, das heisst fast ihnen. Meine AHV ist unsere Quelle hier, ganz ohne geht es nicht, und Melissa (die mir das Leben gerettet hat) kann holen was sie braucht.

Ich wohne bei ihrer Familie, viele Kinder, keine Ausbildung, aber lauter gute Herzen. Die betreuen mich besser als ich es mir je vorstellen konnte. Sie besorgt ihrem Mann Mystal einige Güter, die hier oben auf dem Berg den Menschen fehlen, und braucht dazu meinen Wagen, der immer noch seine Dienste leistet. So lebt unsere WG (Wohngemeinschaft) heute von seinen Verkaufseinkünften und meiner AHV. Und das reicht erst noch für eine Schule, die auch Melissa leitet.

Denn in Lakoumango, so heisst unser Bergquartier, gibt es nur eine teure Schule, aber 60 Kinder auf der Gasse, die sich die Schule nicht leisten können. Also machen das die Eltern gemeinsam (ohne Ausbildung), und ich helfe im Hintergrund: als Berater und Reporter. Das ist ein Ergebnis davon. Vor einigen Tagen hat mich ein grosses Schweizer Unternehmen gebeten, in meiner Internetseite Links platzieren zu dürfen. Ich habe das bisher gratis aus Freude gemacht, ab jetzt bitte ich jedoch um freiwillige Beiträge an unsere Schule. Das Unternehmen hat zugesagt.

Die Bergschule ESMONO liegt unten in einer Erosionsschlucht auf Montagnes Noires. Ich gehe in die 80 und bin entsprechend unbeweglich, die Klettertour hinunter zur Schule wage ich kaum mehr und nur mit ausgesuchter Begleitung. So war es heute, ich wollte einige Fotos aufnehmen für diesen Bericht. Als ich ankam, war gerade 10 Uhr-Pause. Das Spiel der Schüler auf dem Pausenplatz war derart köstlich, dass das einmal eine eigene Geschichte geben muss.

Hinter dem Pausenplatz, am Fusse der Schluchtwand zur Bergburg hinauf (wie ich mein Quartier nenne), das „Schulhaus“. Es ist die Bauruine eines Wohnhauses, die uns der Besitzer vertraglich und gratis zur Nutzung für zwei Jahre zugesagt hat. Sie ist nicht mit einer gesponserten Schule vergleichbar, ich hab ja geschildert, wovon sie lebt. Aber sie läuft. Sie frisst nicht Milliarden, nicht einmal meine ganze AHV. Türen und Fenster fehlen, kein Strom und kein Licht (das Licht auf den Fotos stammt vom Cam-Blitz). Alle Erwachsenen arbeiten gratis.

Männer aus dem Quartier tragen jeden Tag sauberes Wasser her und stellen das Fass vor Schulbeginn vor dem Schulhaus auf, denn rundum grassiert die Cholera und holt sich immer noch ihre Opfer. Die Kinder lernen wie man das vermeiden kann, vor dem Eintritt in die Schule richtig die Hände zu waschen, bis hinten zu den Ellbogen und rund um die Fingernägel. Eine Lehrerin kontrolliert das akribisch. Das ist eine andere Art als der Präsident, der täglich Händewasch am Fernsehen vorzeigt, oder der Rockpopper, der kreolische Compas zum Händewäschen fetzt, und das ganze Volk fetzt mit.

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Die exklusive Haiti-Kolumne im latina press Nachrichtenportal von Otto ‚Swissfot‘ Hegnauer. Der ehemalige Lehrer lebt seit mehreren Jahrzehnten auf Haiti und berichtet exklusiv von seinem täglichen Leben auf der Insel Hispaniola.

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