2001 wurden von der UNO, der Weltbank, der OECD und mehreren NGOs für Haiti „Millennium-Entwicklungsziele“ definiert, die bis 2015 erreicht werden sollen. Die Zwischenbilanz ist durchzogen. Vor allem Nummer Eins, die Bekämpfung von Hunger und extremer Armut, kann bis 2015 nicht erreicht werden.
Durch die hunderte von neuen Firmen werden zwar tausende von neuen Arbeitsplätzen geschaffen, was ja ein Hauptanliegen des jungen Staates war, aber weder das Ausbildungsniveau der Altansässigen noch der Zuzug von „Diasporanten“ (Ausland- Haitianern) wird den Anforderungen genügen. Dies wird zur Folge haben, dass zahllose neue Stellen durch ausländische Spezialisten mit entsprechendem Lohnniveau besetzt werden müssen, und die Lohnschere wird sich noch mehr öffnen, die Sozialprobleme sowie die Armut der kaum ausgebildeten Masse werden noch weiter steigen.
Zwar überbieten sich die ausländischen Staaten zur Zeit im Angebot von Stipendien, Studien- und Praktikumsplätzen für begabte haitianische Aspiranten, da sie wohl wissen, dass man so einen Teil der geschilderten Probleme wird lösen können. Aber was haben die – auch Millionen – von „Bisherigen“ für Chancen und Hilfen, die ihre Zertifikate gekauft haben oder überhaupt ohne solche unterrichteten, pflegten, operierten, manchmal Naturtalente so gut wie die modernsten im Ausland Ausgebildeten ?
Nach Aussagen des Planungsministers Ralph Francis müssen 2009 mehr als 56 Prozent der Haitianer von weniger als einem US-Dollar pro Tag leben, und die Preise der Lebensmittel in den Supermärkten sind höher als bei uns und werden weiter steigen. Wegen der resultierenden Ungleichheiten in den Lohnniveau und anderen Leistungen an Arbeitnehmer hat das Modell der von der Regierung vorgeschriebenen Mindestlöhne nicht gefunzt. Ich zitiere aus einer früheren Kolumne: „Als die Mindestlohn-Vorschrift in Kraft trat, wurden die 300 Arbeiterinnen auf die Straße gesetzt. 300 Arbeitslose mehr. Beim Besitzer der Textilfabrik handelt es sich wahrscheinlich um einen ausgewanderten Schweizer, den ich einst kannte, aber den Kontakt verloren habe.
Also versuchte man es jetzt mit einer anderen Regelung. Für bestimmte, schlechtbezahlte Berufe müssen die bisherigen Tageslöhne um 200 Gourdes angehoben werden, dies entspricht rund 3,4 €/Tag. Haut auch nicht, die Arbeitgeber sind nicht gewillt, die Hungerlöhne zu ändern und tiefer in die Tasche zu greifen, das Tankstellenpersonal streikt und schließt ab 14 Uhr, so steht vielleicht eine neue Benzinkrise bevor, und man hört von scharenweise Entlassungen von Hotelpersonal, das ja zum Teil bekanntlich überhaupt „unbezahlt“ arbeitete. Zudem gelten die Vorschriften für Kinderarbeiter mitnichten, da diese ja verboten sind und somit nicht existieren…
Für Ex-US-Präsidenten & Co. scheint es ein leichtes zu sein, tausende neuer Arbeitsplätze zu schaffen. Sie haben aber mit Problemen in Art der geschilderten wenig Erfahrung. Von Präsident René Préval und seinem Soziologen Ralph Francis wird jedoch gnadenlos etwas anderes erwartet, „eine verblüffend einfache Lösung für ein unlösbar scheinendes Problem.“
Im „ersten Entdecker“ Haitis haben die beiden ein einschlägiges Vorbild: er entdeckte Goldnuggets, Jungfrauen und Tropenhölzer. Als es von den drei Produkten keine mehr gab, zogen die Helden wieder ab. Kolumbus war überhaupt clever im Problemlösen. Er schlug bekanntlich ein Ei mit der Spitze auf den Tisch, um es aufrecht zum Stehen zu bringen. Als die Zechbrüder protestierten, dass sie das auch gekonnt hätten, antwortete er: „Der Unterschied ist, meine Herren, dass Sie es hätten tun können, ich hingegen habe es getan!“
Also, man darf gespannt in die nächsten Tage blicken.
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