Esmonotische Träume in Haiti: Gartenbau als Schulfach einführen

Wandgarten

Wandgarten in Haiti (Foto: Otto Hegnauer-latinapress)
Datum: 23. Oktober 2013
Uhrzeit: 12:47 Uhr
Leserecho: 1 Kommentar
Autor: Otto Hegnauer
Sprachkurs Spanisch (Südamerika)

Unsere Träume von schräger Agrikultur scheinen vorläufig Träume zu bleiben. Wir haben 20 Säcke Schweizer Gartenerde mit agromedizinischem Attest, die wegen Zöllnerstreik immer noch im Prinzenhafen der haitianischen Hauptstadt warten, wir haben für Mandallavert und andere Spezialgärten das Material am gleichen Ort, wir wollen abgefahrene Autoreifen mit Erde füllen und mittels Reifengärten Recycling betreiben, dies und viel anderes bleibt vorläufig in unserem Kopf.

Unsere Ideen wirken gegen Monokulturen und Gentechnologie. Naturzerfleischung und Selbstzerstückelung heissen die zähnefletschenden Drachen unserer Zeit, macht nichts: Beton drüber, und alles ist tot. Dann schweigt es wenigstens.

Das heißt bebaubare Fläche vergrößern, unten ist ja keine mehr. Einige klägliche Meter beim neuerworbenen „Schulhaus“ gewinnen, der Steile noch etwas Land abtrotzen. Das geschieht in der Umgebung schon lange durch „Beackern“ von Erde in abgefahrenen Autoreifen, Reifengärten und Reifentreppen. Recycling besonderer Art. Die verhindern das Abschwemmen der Erde, ist doch besser als Anzünden und Produzieren von Gift. Da wurzeln Blumen und manchmal Essbares. Die Erde wird nicht gleich flüssig und abgeschwemmt,

In Mandalla-Gärten auf Haïti (französisch) wurde gezeigt, wie in steilem und steinigem Gelände Gemüsegärten entstehen, manchmal sogar Blumengärten. Sogar Wandgärten haben die Tüftler schon rausgebracht, diesmal in Schlaraffenlanden. Die Vergrößerung steilgestellter Kulturflächen zur Verschönerung, Begrünung und Anbau von Nährmitteln wird schon häufig praktiziert. Dazu eignen sich schräg gestaffelte Bretter und Lamellen aus Holz, Pavatex, Eternit, Neomat, Flumroc und ähnliche Stoffen, die leicht beschaff- und bearbeitbar sind. Zierpflanzen überpelzen manchmal sogar senkrechte Wandgärten und Wohntürme, steiler geht es wohl nicht mehr.

So werden Salate, Lauch, „Peterli“ (Petersilie), Radieschen, Sellerie und andere nicht tief wurzelnde Gemüse gedeihen [salades, poireaux, persil, radis, céleri, tomates, poivrons, épinards], Eignungstests werden Gärtnern überlassen. Wir planen solche zu engagieren und Gartenbau auch als Schulfach einzuführen, vor allem in Gärten aus Autoreifen. Auf dem Dach des neuen Schulhauses werden Pyramidengärten aus Reifenabfall entstehen. Abfallbeseitigung mal anders! Vom Abfall zum Einfall!

Die Erde kann nicht mehr abfließen, sie wird sorgfältig zurückgehalten. Später werden wir sogar lernen, sie anzureichern oder sogar herzustellen, wie Terra Preta und dergleichen, aus einer Mischung von Holzkohle, Dung und Kompost, durchsetzt mit Tonscherben und anderem, oder Kompotoi-, Kompost- oder biologische Toiletten. Dazu fehlen uns noch eigene Erfahrungen.

Auch Wässern wird bei ESMONO zu keinem Problem. Wir haben bereits eine volle Zisterne, und vielleicht bringt das Christkind beim Schulhaus 2 mal eine zweite. Das Gartenwasser kostet besonders wenig, denn es muss nicht einmal aufbereitet werden!

Bevor ich pensions- und erdbebenreif war musste ich die Migros verlassen, wie das damals allen mit 62 Altersjahren blühte. Was mir dabei weniger gefiel, dass das einen Sog entwickelte der fast alle Mitarbeiter mitriss, und ich wollte doch meinen Arbeitgeber nicht schädigen, denn das waren die besten. Und was noch erstaunlicher ist, praktisch alle sind heute noch meine Freunde und „Mitarbeiter“, wenn man unbezahlt überhaupt so sagen kann.

Etwas Ähnliches durfte ich in diesen Tagen erleben. Lena war eine Wunschkandidatin und arbeitete seit bald 14 Jahren in einer Schule für etwas betuchte Behinderte, ja das gibt es auch, und sie war beliebt. Mich ehrte, dass sie zu uns wechseln wollte und dem früheren Arbeitgeber eine fürstliche Lohnaufbesserung ausschlug, aufgrund meiner Suche in Projektpatenschaften auch die dort vorgesehene Höherbezahlung ablehnte und nur gleich wenig verdienen wollte wie die anderen Lehrerinnen. Die Heldin Lena war somit eine echte Protagonistin von ESMONO und wurde, so wie Laika, als „Patenkind“ auch sofort entdeckt.

Und ich? Mir bleibt nur immer wieder zu staunen, warum ich immer und überall (das war schon Zeit meines Lebens so!) die besten Mitarbeiter anziehe. Ihnen allen gebührt ganz viel Dank für all die Erfolge.

Hier sind „Ärzte ohne Grenzen“ und lauter siebenkluge Organisationen, die kämpfen um Menschheit und Welt. Es gibt natürlich nirgends so viele echte Opfer der Umstände, die hier ganz besonders sind. Aber es gibt auch nirgends so viel Dummheit, die überbordet bis das Schiff untergeht, man müsste nur auf die andere Seite stehen. Weniger Kinder machen, die weder Zukunft noch Schule noch Essen haben. Mehr Aufklärung.

Politiker wollen das Gegenteil. Sie erwarten das Heil von der Wirtschaft, der Arbeit, dem Tourismus, dem Geld für die einen. Indessen stechen mir giftige Räuchlein in die Nase, schleichend auf allen Seiten. Räuchlein von den Autoreifen, die sie verbrennen, den Reifengärtchen entziehen.

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Die exklusive Haiti-Kolumne im latina press Nachrichtenportal von Otto ‚Swissfot‘ Hegnauer. Der ehemalige Lehrer lebt seit mehreren Jahrzehnten auf Haiti und berichtet exklusiv von seinem täglichen Leben auf der Insel Hispaniola.

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  1. Lieber Otti, Du weißt, wie sehr wir von HaitiCare e.V. Deine Arbeit schätzen und bewundern, weil wir ja ebenfalls unseren Traum von Landwirtschaft sowie die Segnung eines Schulgartens gerade sinnvoll und mit Erfolg verwirklichen. Allerdings verstehen wir nicht, warum Du Gartenerde aus der Schweiz einführen willst. Wertvolle Gartenerde kannst Du für kleines Geld in Haiti erwerben (und Du hilfst dabei den Händlerinnen) oder Du kannst sie sogar selbst herstellen, weil ein Kompost in Haiti nur sechs Wochen zum Durchrotten benötigt. Warum tust Du Dir das mit dem Zoll an, der ja erfahrungsgemäß immer Probleme verursacht?

    Lieber Otti, Du bist auf dem richtigen Weg – und wir sind auch ganz eng bei Dir. Dennoch sehen wir viele Fehler, denn Du bestückst Container mit Waren, die in Haiti günstig zu erwerben sind. Mit jedem Container nimmst Du den Händlerinnen Umsatz und Lebensgrundlage. Gerade wir kleinen Hilfsorganisationen sollten aufpassen, dass wir mit unserer Hilfe den Menschen nicht die Lebensgrundlage entziehen.

    Wir freuen uns auf anregende Gespräche, wenn wir uns im nächsten Jahr in Haiti treffen. Liebe Grüße von Michael und Barbara von HaitiCare e.V.

    Michael Kaasch
    HaitiCare e.V.
    Schluchseestr. 57
    13469 Berlin

    Telefon: 030 4022418
    Telefax: 030 4025907
    Mobil: 0172 3003859

    Internet: http://www.HaitiCare.de

    Mail: Michael.Kaasch@HaitiCare.de

    Spendenkonto:

    HaitiCare e.V.
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