In Brasilien dringen fast täglich neue Details über den grössten Korruptionsskandal in der Geschichte des südamerikanischen Landes an die Öffentlichkeit. Dies hat zu einem dramatischen Autoritäts/Popularitätsverlust von Präsidentin Dilma Rousseff bei der Bevölkerung geführt und einen historischen Tiefstand erreicht. Enthüllungen rund um den halbstaatlichen Ölkonzern „Petrobras“ und eine fortschreitende wirtschaftliche Rezession haben die Zustimmung zur Regierungspolitik innerhalb der Bevölkerung auf 7,7% sinken lassen (10,8% im März). Eine aktuelle Umfrage vom Transportunternehmerverband „Confédera o Nacional dos Transportes“ (CNT) ergab, dass immer mehr Bürger der größten Volkswirtschaft in Lateinamerika einem Antrag auf Amtsenthebung des Staatsoberhauptes zustimmen (62,8%). Besonders gravierend ist der Popularitätssturz des Staatsoberhauptes im Norden und Nordosten Brasiliens, der einstigen Hochburg der regierenden gemäßigt linken, sozialdemokratischen Arbeiterpartei „Partido dos Trabalhadores“ (PT). In einem Versuch, ihre Popularität zurückzugewinnen, wird Rousseff bis Ende August die Bundesstaaten Piauí, Ceará, Pernambuco, Bahia und Maranhão bereisen.
Vor dreizehn Jahren hat Brasiliens Arbeiterpartei PT die Macht übernommen. Acht Jahre lang lenkte Lula da Silva das Land, vor fünf Jahren übernahm seine Parteifreundin Dilma Rousseff. Es ist unbestritten, dass verschiedene Sozialprogramme wie „Fome Zero“ (Null-Hunger), Familienbeihilfe „Bolsa Família“ und das Wohnungsbauprogramm „Minha Casa, Minha Vida“ die extreme Armut im Land gesenkt haben. Eine anhaltende Inflation von rund zehn Prozent und eine sich abzeichnende Rezession schürt inzwischen die Angst der Bevölkerung vor einem erneuten sozialen Abstieg. Die Regierung spricht seit einem Jahr von einer „vorübergehenden Phase“, die Menschen nehmen ihr diese Durchhalteparolen nicht mehr ab.
Der Norden und Nordosten Brasiliens wird als Armenhaus des Landes bezeichnet – Klientelismus, Rückständigkeit und eine unwirtliche Natur zeichnen die Region aus. Während gewisse regionale Gebietseinheiten im Südosten und Süden Brasiliens durchaus eine gute Position in einem europäischen Entwicklungsranking einnehmen könnten, weisen große Gebiete im Norden und Nordosten trotz aller Regionalplanung immer noch typische Merkmale von Armutsgebieten in Entwicklungsländern auf. Der Anteil der Menschen, die in absoluter Armut leben, ist in der „Região Nordeste“ fast doppelt so hoch wie im übrigen Land. Brasilien gilt deshalb als „Weltmeister in sozialer Ungleichheit“. Etwa 10% der brasilianischen Bevölkerung verfügt über 51% des Volkseinkommens, 40% lediglich über 7%.
In Maranhão konnte Präsidentin Dilma Rousseff bei den Präsidentschaftswahlen im Jahr 2014 mit 78,76% der Stimmen den verhältnismäßig größten Anteil im Land verbuchen. In dem etwas mehr als 7.000 Einwohner zählenden Städtchen Belágua, 280 Kilometer von der Bundeshauptstadt São Luís entfernt, erhielt Rousseff 93,93% der Stimmen an der Wahlurne. Inzwischen hat sich die Zustimmung für Rousseff in allen Altersgruppen, einschließlich der ärmsten sozio-ökonomischen Sektoren und damit bei der am meisten von der Politik von Rousseff und die ihres Mentors Luiz Inácio Lula da Silva profitierenden Schicht, verschlechtert. In der traditionellen Hochburg der Arbeiterpartei glauben inzwischen nur noch 14 Prozent der Wähler, dass die Regierung „gut“ oder „sehr gut“ ist, im Vergleich zu 58 Prozent, die sie als “ schlecht „oder“ sehr schlecht“ empfinden.
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