Christoph Kolumbus war auch ein Weißer. Und ein Vizekönig und ein Pirat. Er beschreibt schon 1492 die Arawaken und Taino-Indianer – die Ureinwohner Haitis – als „Menschen von unglaublicher Freigiebigkeit. Wenn man um etwas bittet, sagen sie nie nein, sondern fordern einen ausdrücklich auf, es anzunehmen und zeigen dabei soviel Liebenswürdigkeit, als würden sie einem ihr Herz schenken.“ Als Dankeschön begann damit der Völkermord an den Ureinwohnern.
Die Beschreibungen des Zeitgenossen Bartolomé de Las Casas tönen ganz anders. Die Zahl der Indianer in der ganzen Karibik betrug vor dem Eintreffen von Kolumbus etwa 15 Millionen. Er landete mit 1.500 Mann auf Hispaniola, unter anderem auf Tortuga/Haïti. Damit begann die Vernichtung der indianischen Bevölkerung. Statistisch heißt das, dass jeder Kolumbus-Soldat 10’000 Indianer ermordete, Krankheiten und andere Todesursachen inbegriffen. Zehn Tausend !
Auf der Suche nach Gold schreckte er vor Massenmorden, Verbrennungen, Vergewaltigungen und Zerstückelungen nicht zurück, wobei auch Kinder, Schwangere und Alte nicht verschont wurden. In der Folge versklavten die Spanier den Rest der indianischen Bevölkerung und verübten Gräueltaten. Die Bevölkerungszahl Hispaniolas sank von einer geschätzten Million zur Zeit der ersten Entdeckungsfahrt auf ca. 100.000 im Jahr 1504. Bis 1514 sank ihre Zahl auf 22.000 und 1542 waren es „kaum noch 200, die am Leben waren“.
Die Weißen haben die Freigiebigkeit und Friedfertigkeit maßlos ausgenützt und die Indianer ausgenommen, bis sie nichts mehr hatten, ihre Frauen und Töchter vergewaltigt, und sie dann oft brutal getötet. Bald gab es keine Arbeitskräfte mehr. Nun importierten die herrschenden Spanier und Franzosen Neger aus Westafrika als Arbeitssklaven, denn im Gegensatz zu den Indianern und Haitianern war Geld und Gold der einzige Wert der Weißen. Um Revolten vorzubeugen, kauften sie nur Sklaven aus verschiedenen Stämmen, die sich wegen ihrer unterschiedlichen Sprachen nicht verständigen konnten. Aus dieser „Sprachlosigkeit“ entstand die kreolische Sprache.
1804 befreiten sich die Sklaven in gewaltsamem Aufstand von den weißen Herren und bilden seither einen eigenen, wenn auch lange unglücklichen Staat. Von den Sitten der ursprünglichen Indianer ist wohl nicht viel übrig geblieben, sie wurden vorwiegend afrikanisiert. Der Einfluss der neuen Weißen, vorwiegend Missionare und heute Entwicklungshelfer, verwässerte die ursprünglichen Spuren weiter, und es entstand eine eigene, haitianische Kultur.
Das kolumbianische, damals den Indianern zugedachte Urteil über „Menschen von unglaublicher Freigiebigkeit. Wenn man um etwas bittet, sagen sie nie nein, sondern fordern einen ausdrücklich auf, es anzunehmen und zeigen dabei soviel Liebenswürdigkeit, als würden sie einem ihr Herz schenken“ könnte ich heute noch unterschreiben. Besonders, nachdem die Tausende von Schwerverbrechern, die das schwergeprüfte Land zweihundert Jahre lang weiter ausplünderten und terrorisierten, hinter Schloss und Riegel sitzen.
Die Atmosphäre ist anders. Die Palmen sehen zwar genauso aus, und der Strand ist genauso weiß wie an manch anderen schönen Plätzen der Welt, aber die Menschen sind unverdorben. Sie sind schwarz, aber sie haben eine weiße Seele. Und sie sind stolz auf ihre afrikanische Herkunft. Sie sind freundlich, lebensfroh und naiv. Sie haben sich selber aus der Sklaverei befreit, haben die gleichgesinnten Schwarzen aus der Welt um sich vereinigt, wohl deshalb sind sie nicht unterwürfig. sondern stolz und selbstbewusst.
Auch bei mir haben sie während Jahren genutzt, was vorhanden war: Werkzeuge, Fahrzeug, Wohnung, Nahrung, ohne zu fragen. Ich glaubte, hier gäbe es nur Diebe. Heute sehe ich das ganz anders. Man ist sich gewohnt zu teilen. Die Leute um mich arbeiten für nichts, sie fragen nie nach Geld oder sonst etwas, sie machen nie einen Preis, sie wollen keinen Lohn, sie sind auch ohne Belohnung oder Geschenke zufrieden. Man gibt etwas wenn man will, und was man will, und wenn man nichts gibt, ist es auch gleich. Feilschen gehört zwar dazu, aber nur unter Fremden. Unter Freunden marktet man nicht.
Ich nutze manchmal auch was sie haben, „sie fordern einen ausdrücklich auf, alles anzunehmen und zeigen soviel Liebenswürdigkeit, als würden sie einem ihr Herz schenken“. In der Zeit als ich offiziell „gestorben“ war und während rund einem Jahr kein Geld mehr erhielt, zugleich die ( eingeschriebene! ) Sendung mit der Bank-Steckkarte samt Lesegerät auf der Post verloren ging – ich habe noch jetzt keine neue und ergo keinen Bankzutritt – habe ich rund ein Jahr lang ihre Gastfreundschaft genossen, ohne Gegenleistung. Man stelle sich das bei den „Weißen“ vor…
Voudou-Kult, Magie, Zauberei, Glaubenskonflikte, „Aberglauben“, und ganz viel andere afrikanische „Exotisches“ prägen ihr tägliches Leben und mögen uns befremden. Sie sollen uns staunen lernen, nicht werten. Nicht die Nachteile bemeckern, sondern die Vorteile entdecken. Entdecken was ich daraus lernen könnte. Dabei hilft Toleranz, Verständnis und – Transaktionsanalyse, indem man anerkennt, dass Menschen von Grund auf gut und in Ordnung sind, dass ein Jeder über die Fähigkeit zu denken verfügt, und dass jede Kommunikation frei und offen sein soll.
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