Der größten Volkswirtschaft Lateinamerikas steht ein dringend erforderlicher und tiefgreifender Wandel bevor. Kaum eine Nation bietet mit Blick auf ihr Bruttoinlandsprodukt so viel Potenzial wie Brasilien. Für die brasilianische Wirtschaft ist eine Rentenreform extrem wichtig, das angeschlagene Rentensystem muss saniert werden. Im internationalen Vergleich erlaubt das System Arbeitern einen zu frühen Renteneintritt und es zahlt zu hohe Renten, weswegen das Haushaltsdefizit zu hoch ist, um nachhaltig zu sein. Die zu den großzügigsten Rentensystemen der Welt zählende Finanzstruktur ist insbesondere für Angestellte im öffentlichen Dienst attraktiv, die sich noch vor Erreichen des sechzigsten Lebensjahres zur Ruhe setzen können und anschließend fast ihr gesamtes Schlussgehalt beziehen. Die Umgestaltung bestehender Verhältnisse gerät allerdings immer mehr ins Stocken. Laut Marcelo Ramos, Präsident der Kommission für die Rentenreform in Brasilien, verfügt die Regierung von Präsident Jair Messias Bolsonaro nicht über die notwendigen Stimmen im Kongress, um die Rentenreform zu genehmigen. In einem TV-Interview hob Ramos die Bedeutung der Reform hervor, ohne die es nach seinen Worten keinen wirtschaftlichen Fortschritt gibt.
Ramos Äußerungen heben wachsende Zweifel am Schicksal des Schlüsselprojekts der Regierung hervor, auf das Investoren und Unternehmen eigentlich hoffen. Eine am Montag (20.) veröffentlichte regelmäßige Umfrage der Zentralbank unter Ökonomen hat ergeben, dass die Wachstumsprognosen für dieses Jahr auf ein Minimum gesunken sind. Vergangene Woche brachen die Märkte wegen der Sorgen im Zusammenhang mit der Reform ein und die Emissionsbank gab an, dass die Wirtschaft im ersten Quartal „wahrscheinlich geschrumpft“ sei. Bolsonaro beschuldigte am Montag in einer Rede vor Geschäftsleuten in Rio de Janeiro verschiedene Interessengruppen, den Fortschritt des Reformprozesses zu behindern und versicherte, dass das größte Problem des Landes seine politische Klasse ist. Um die Rentenreform durchzudrücken, bräuchte die Regierung 308 Stimmen. Schätzungen gehen davon aus, dass Bolsonaro lediglich auf etwas mehr als 200 Stimmen im Unterhaus zählen kann.
Update, 5. Juli
Eine parlamentarische Kommission hat am Donnerstag mit 36 zu 13 Stimmen einen Bericht/Vorschlag angenommen, der die Grundlagen für eine Rentenreform schafft. Der Text muss nun der Abgeordnetenkammer und später dem Senat vorgelegt werden. In beiden Fällen muss zweimal abgestimmt werden (Mehrheit von drei Fünftel der Sitze), da es sich um eine Verfassungsreform handelt.
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