Lateinamerika stolpert blind durch die Corona-Pandemie

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Gähnende Leere an brasilianischen Flughäfen (Foto: AgenciaBrasil)
Datum: 09. April 2020
Uhrzeit: 16:32 Uhr
Leserecho: 1 Kommentar
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Fragt man die besten Ärzte in den größten Städten Lateinamerikas, ob sie den von ihren Regierungen vorgelegten Coronavirus-Zahlen vertrauen, werden viele antworten: Keine Chance. Es ist wie „blind durch den Wald laufen, weil die offizielle Zahl der Fälle nicht real ist“, so Francisco Moreno, Direktor für Innere Medizin am ABC Medical Center in Mexiko-Stadt, über die Daten seines Landes. „Wir wissen nicht, wo wir auf der Kurve überhaupt stehen“. Lateinamerika, mit mehr als 620 Millionen Einwohnern, schien nach offiziellen Angaben wochenlang dem Schlimmsten der Pandemie entgangen zu sein. Zusammen haben die Regierungen der Region etwa 50.000 Fälle und 2.500 Todesfälle gemeldet.

Zu den Ländern, die weltweit die meisten Tests in Bezug auf ihre Bevölkerung durchgeführt haben, gehören Island (81,23 pro tausend Einwohner), Norwegen (20,42), die Schweiz (18,74), Österreich (13,12), Australien (12, 24) Deutschland (10.02) und Südkorea (9.06). Laut der Statistik-Webseite „Worldometer“ werden in Brasilien (819 Todesfälle und 16.170 bestätigte Fälle von Coronavirus) nur 258 Menschen pro Million Einwohner getestet, in Mexiko (3.181 Infizierte und 174 Tote) gibt es 159 Tests pro Million Einwohner. Es ist natürlich möglich, dass sich die Pandemie in Lateinamerika nicht so verhält wie in anderen Regionen. Es kann auch sein, dass frühzeitige Einschränkungen (Ausgangssperre, Schließung der Grenzen) den Spread verzögert haben. Ohne weitere Beweise und verlässliche Daten gibt es allerdings keine Möglichkeit, dies sicher zu wissen.

Die Situation wird durch tiefsitzende Schwächen verschärft, die einige lateinamerikanische Nationen seit Jahrzehnten plagen: zerstörte öffentliche Gesundheitssysteme, fragile Institutionen und die Tendenz, unklare öffentliche Informationen bereitzustellen und Statistiken zu manipulieren. „Mit der Zeit wird der Tag der Abrechnung kommen: Die Kosten für die Gesellschaft sind viel höher, als wenn die Zahlen von Anfang an transparent sind“, warnt Julio Frenk, Präsident der Universität von Miami und ehemaliger Gesundheitsminister von Mexiko. „Diese Informationen sind zum Wohle der Bevölkerung von entscheidender Bedeutung, damit die Mitarbeiter des öffentlichen Gesundheitswesens ihre Arbeit tun, die kritischen Punkte identifizieren und Maßnahmen ergreifen können“.

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Kommentarbereich

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  1. 1
    Peter Hager

    Die chinesische Regierung hat mit dem Verdrehen der Tatsachen angefangen. Zunächst aus Unkenntnis der Realität, danach aus heller Panik vor den Konsequenzen, wenn sie denn bekannt würden. Geheimdienste haben frühzeitig ihre Regierungen über das Geschehen in China informiert. Doch das schien unbequem, unpopulär, wurde und wird noch immer in den meisten Ländern verharmlost. Die tatsächlichen Zahlen werden wir niemals erfahren. Einige wenige Länder haben frühzeitig richtig reagiert, nicht zuletzt Deutschland. Doch auch hier weiß man noch immer zu wenig, und dieses knappe Wissen teilt man mit uns nicht ehrlich.

    Die Dritte Welt und Schwellenländer jedoch sind völlig verratzt. Ihre zumeist total inkompetenten, korrupten Regierungen haben noch nie ernsthaft weiter gedacht, als an die Bankkonten ihrer Familienclans. Verantwortung für das Volk…? Pathetische Sprüche auf Fahnen und in Hymnen müssen reichen. Zum Thema „funktionierendes Gesundheitssystem“ fragen die sich, wozu? Wenn Einer von uns krank wird, bringt ihn der Privatjet oder ein Militärflugzeug ins zivilisierte Ausland, das ihn kuriert, koste es unsere Armen was es wolle! – Es wäre an der Zeit, daß da mal ein Virus kommt, vor dem alle gleich sind. Aber bitte keiner mit roten Fahnen!

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